2006 ist das Jahr der Wüsten - lebensfeindliche und zugleich faszinierende Landschaften, die ein Drittel der Landfläche bedecken. Daß sich die Trockengebiete ausbreiten, hat der Mensch zum großen Teil selbst zu verantworten.

Als Allah die Welt erschaffen hatte, schaute er sie sich an. Und alles, was ihn vom Wesentlichen ablenkte, nahm er wieder heraus. So ist, glauben jedenfalls die Beduinen, die Wüste entstanden.

Die Wüste. Für Antoine de Saint-Exupery war sie zugleich "die schönste und traurigste Landschaft der Welt". Eine bizarre Gegend, überwältigend in ihrer Weite, faszinierend in ihrer Kargheit, aber auch bedrohlich wegen ihrer lebensfeindlichen Bedingungen. Eine Landschaft mit enormer Vielfalt: die gewaltigen Sandberge Nordafrikas, die Salzflächen in der Höhe Südamerikas, die kargen Hochtäler Asiens, die Sandsteinschluchten und Gipsdünen Nordamerikas.

Aber genau diese Vielfalt steht auf dem Spiel. Die Wüsten sind bedroht. Die Vereinten Nationen haben 2006 zum "Internationalen Jahr der Wüsten und Wüstenbildung" erklärt, organisiert von der UNCCD (United Nations Convention to Combat Desertification) , deren Sekretariat in Bonn sitzt. Im Juni haben die Vereinten Nationen den Global Deserts Outlook vorgelegt, düstere Szenarien über die Zukunft der Wüstengebiete. Danach wird der Klimawandel die Wüste noch stärker treffen als andere Regionen. Steigende Temperaturen und ein weiterer Rückgang der Regenfälle könnten die Wüsten noch in diesem Jahrhundert tatsächlich zu toten Landschaften machen. Die südamerikanischen Wüsten und das Hochland Tibets würden in absehbarer Zeit unbewohnbar sein, heißt es in der Studie. "Die Wüsten stehen unter dem Druck der modernen Zivilisation", sagt Shafqat Kakakhel, Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP.

Für viele ist die Wüste nur Sinnbild toten und eintönigen Raums ("Die Erde aber war wüst und leer"). Das französische desert und das englische desert lassen sich auf den Begriff "vom Menschen verlassen" zurückführen. Geographen haben sich inzwischen auf Niederschlagsmangel und Trockenheit als Definitionsstandard für die Wüste geeinigt. Die Nomaden Nordafrikas nennen die Wüste auch Bar bela bar, Meer ohne Wasser. Der Brockhaus schließlich bezeichnet jedes vegetationslose oder sehr vegetationsarme Gebiet der Erde als Wüste im weiteren Sinn. Da gibt es Sandwüsten, Steinwüsten, Salzwüsten, sogenannte edaphische Wüsten, in denen der Boden so wasserdurchlässig ist, daß Niederschläge sofort versickern, aber auch Kältewüsten, die vom Eis geprägt sind. Wie faszinierend diese Landschaften sind, stellte schon Alexander der Große bei seinen Eroberungsfeldzügen (353-323 v. Chr.) fest, als er die Wüsten Asiens und Nordafrikas durchquerte.

Die Wüsten der Erde machen ein Drittel der gesamten Landoberfläche der Erde aus - knapp 50 Millionen Quadratkilometer. Lebewesen, ob Pflanze, Tier oder Mensch, stehen hier vor extremen Herausforderungen. Ihre Existenz ist ein Überlebenskampf in lebensfeindlichem Umfeld mit geringem Nahrungsangebot und extremem Wassermangel. Tiere müssen sich vor Überhitzung schützen und Temperaturschwankungen von 50 Grad trotzen. Einige Arten haben sich dieser Umgebung gut angepaßt. Da gibt es verblüffende Strategien. Die Palmtaube zum Beispiel fliegt bis zu 70 Kilometer täglich, nur um zu trinken. Agamen (Eidechsen) wechseln im Lauf des Tages mehrmals die Farbe, damit sie die Sonnenstrahlung jeweils am besten absorbieren. Andere Tiere leben unterirdisch oder sind nachtaktiv. Das Kamel, das Wüstenschiff, von den Beduinen auch "Gottesgabe" genannt, ist perfekt an das Leben in der Wüste angepaßt, liefert Milch, Fleisch und Wolle und ist ein ideales Transportmittel.

Und scheinbar fernab von jeden zivilisatorischen Annehmlichkeiten leben auch Menschen in der Wüste. Die Evolution hat ihnen, anders als Tieren und Pflanzen, nicht geholfen - außer vielleicht mit einer etwas dunkler getönten Haut. Aber die Aborigines in Australien, die Tuareg in Afrika, die Nazca in Südamerika oder die Turkmenen in Asien haben aus den Umständen das Beste gemacht. Sie wählen Kleidung, die Sonnenstrahlung abweist und vor Austrocknung schützt. Sie graben Brunnen. Sie finden schützenden Unterschlupf in Zeiten extremer Hitze. Sie wissen, wo sich in einem Radius von Hunderten von Kilometern Tiere, Pflanzen und Oasen befinden, und sie geben dieses Wissen von Generation zu Generation weiter. Manchmal zieht es die Menschen sogar freiwillig in die Wüste: in Arizona kommen reiselustige Rentner Winter für Winter mit ihren Wohnmobilen zu einer Wüstenstadt zusammen.

Menschen, die in der Wüste leben, haben ihren Lebensraum am besten beschrieben. "Die Wege der Weisheit führen durch die Wüste", sagen die genügsamen Beduinen. Und in Israel heißt es: "Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man erst in der Wüste."

Informationen zum Jahr der Wüsten im Internet: www.iydd2006.de