Der Schweizer Jörg Kachelmann (47) ist der prominenteste Meteorologe im deutschsprachigen Raum. Er liefert unter anderem Wettervorhersagen für die “Tagesthemen“ der ARD.

JOURNAL: Herr Kachelmann, wie genau läßt sich das Wetter vorhersagen?

JÖRG KACHELMANN: Vernünftigerweise für nicht mehr als die nächsten fünf Tage. Das kann bei einer extremen Hochwetterlage mal anders sein. Umgekehrt gibt es auch Wetterlagen, da kommen Sie nicht mal 36 Stunden weit. Versuche mit langfristigen Vorhersagen sind noch im Forschungsstadium. Es tut mir leid, aber ich werde Ihnen nicht sagen können, wie in zwei Wochen das Wetter bei Ihrer Grillparty ist.

JOURNAL: Alles andere ist demnach nicht seriös?

KACHELMANN: Das ist Scharlatanerie. Nur im deutschsprachigen Raum ist das Aufkommen an Aberglauben so hoch, von irgendwelchen Weissagungen übers Weihnachtswetter Anfang Dezember bis zum Einfluß des Mondes oder den hundertjährigen Kalender. Das ist grotesker Blödsinn. Solche Vorhersagen werden hinterher nie verifiziert. Auch über das "Biowetter" werden Sie anderswo kaum etwas finden, nicht mal in den USA, wo die Pharmaindustrie sicher gern eine Anzeige neben dem Wetterbericht plazieren würde. Das gilt überall zu Recht als unseriös. Hier ist noch viel Forschung vonnöten, an der wir uns natürlich auch beteiligen.

JOURNAL: Wie hilft Ihnen bei der Prognose der Computer?

KACHELMANN: Die Computermodelle sind wichtig vor allem für den Bereich von 24 Stunden und aufwärts. Das Prinzip: Man packt die momentanen Daten in den Computer und entwickelt eine Art Hochrechnung. Dafür gibt es dann verschiedene Rezepte. Das ist wie beim Labskaus, der wird auch von Gaststätte zu Gaststätte anders gemacht. Auch jedes Computermodell hat ein anderes Rezept, die einen warten etwas länger, andere rechnen schneller und haben vielleicht noch eine falsche Schiffsmeldung drin. Schlimmstenfalls sagt nach ein paar Tagen das eine Modell Sommer, das andere Winter - dann zählt unsere Erfahrung und Routine, welches Modell wir bevorzugen.

JOURNAL: Die Wettervorhersage im Fernsehen kam früher mit Kreidetiefs und Magnetsonnen recht dröge daher. Wieviel Show verträgt das Wetter?

KACHELMANN: Da muß ich mal ganz klar sagen: Beim Wetter verstehe ich keinen Spaß! Ich weiß nicht, woher Sie die Legende mit der Show nehmen. Wir machen den trockensten Wetterbericht. Da gibt's keine Tiere, keine Kinder, immer die gleiche Kleidung. Vielleicht kommt das ja noch aus den wilden Zeiten beim ARD-Morgenmagazin. Da hat es Spaß gemacht, mal in einen Meter Neuschnee zu hopsen. Die Lebensfreude ist mir zwar nicht abhanden gekommen, aber ich nehme das Wetter sehr ernst.

JOURNAL: Kennen Sie Ihre Einschaltquoten? Wie viele Leute schauen das Wetter?

KACHELMANN: Ich sehe mir jeden Tag die Quoten an und kann mich darüber freuen. Nach den Tagesthemen ist jedenfalls oft kein Abfall festzustellen, manchmal schaffen wir auch einen kleinen Quotenhubbel. In manchen dritten Programmen sind wir sogar die erfolgreichste Sendung!

JOURNAL: Wie sieht die Wettervorhersage der Zukunft aus? Ruft jeder künftig sein ganz persönliches Wetter ab?

KACHELMANN: Damit das möglich ist, bauen wir ein Netz an Wetterstationen auf. Wer's genau wissen will, sollte selbst eine Station haben! Fuhlsbüttel allein sagt ja noch nichts über das Wetter in Hamburg. Wenn wir hier minus 0,5 Grad messen, ist es auf der Veddel manchmal deutlich kälter, weil vom Lande kalter Südwind kommt. Das Wetter ist komplizierter, als man denkt. Je dichter das Netz, um so besser können wir vorhersagen. Der durchschnittliche Fehler in der Prognose liegt nach 36 Stunden bei 0,8 Grad - danach können Sie die Uhr stellen! Wer lokal vorhersagen will, muß lokal messen.