Ob der Winter in Europa Einzug hält wie auf den Fotos oben, wissen wir meist vorher. Der Blick auf die Wetterkarte, heute Routine, ist erst seit 150 Jahren möglich. Ein Franzose erkannte den Wert der Prognosen während des Krimkrieges.

Das Wetter." Kürzer kann's keiner. Wickert als Stichwortgeber für Kachelmann. Frühaufsteher wie Landwirte verlassen sich da eher auf Vorhersagen im Radio, Zeitungsleser werfen zwischen Frühstücksei und Brötchen einen skeptischen Blick auf die abgedruckte Wetterkarte. Täglich eine Wetterkarte - das war einmal eine Sensation.

Angestoßen wurde diese Karte durch zwei "Wetter-Unglücke" während des Krimkrieges (1854-1855). Am 4. November 1854 belagerten die englische, französische und türkische Flotte die russische Seestreitmacht vor Sewastopol. Aber dann wütete über dem Schwarzen Meer ein schwerer Sturm. Drei Handelsschiffe und drei Kriegsschiffe sanken. Auch die Lager der alliierten Flotten wurden zerstört.

Da schlug die Stunde des französischen Naturwissenschaftlers Urbain-Jean-Joseph Le Verrier (1811-1877). Er stammte aus Saint-Lô im Departement La Manche im Nordwesten Frankreichs und lehrte Astronomie an der schon damals berühmten Pariser École Polytechnique. Sein Ruf gründete darauf, daß er mit Hilfe mathematischer Methoden die Existenz des noch unbekannten Planeten Neptun nachgewiesen hatte. Le Verrier war überzeugt, daß man die Wetterkatastrophe hätte vorhersehen können. Mit der Erfindung des Telegrafen, so seine These, sei der rasche Austausch von Wetterdaten über Gebiets- und Ländergrenzen hinaus möglich.

Der französische Kaiser Napoleon III. gab unmittelbar nach der Katastrophe eine Analyse bei Le Verrier in Auftrag. Der Wissenschaftler, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und seit 1853 Direktor des Pariser Observatoriums, rekonstruierte bei einem Vortrag in der Akademie den Zustand der Atmosphäre zwischen dem 12. und 16. November 1854 und beschrieb genau den Weg durch Südeuropa, den seinerzeit das Sturmtief genommen hatte. Dazu hatte er mehr als 250 Dokumente ausgewertet.

Am Morgen des 15. Februar 1855 ereignete sich eine zweite Wetterkatastrophe. Erneut wurde die französische Mittelmeerflotte betroffen. Die Fregatte "La Semillante" war vom Kriegshafen Toulon in Richtung Schwarzes Meer mit der Krim als Ziel ausgelaufen. Sie lief in der Straße von Bonifacio südlich von Korsika im Sturm auf ein Riff und zerschellte. An Bord waren neben der Besatzung 693 Soldaten, die im Krimkrieg gegen die Russen eingesetzt werden sollten. Es war die bis dahin größte Schiffskatastrophe im Mittelmeer.

Einen Tag später legte Le Verrier seinen Plan vor, mit Hilfe telegrafischer Informationen die Wetterdaten zu sammeln und ein Vorhersageinstrument zu installieren. Kurzfristig bewilligte Napoleon III., noch ganz unter dem Eindruck der Katastrophe, den Etat für das Projekt. Dann ging alles ganz schnell. Le Verrier stellte in der Akademie eine erste Wetterkarte für Frankreich vor, erstellt für den 19. Februar 1855, 10 Uhr vormittags. Der gelernte Astronom wurde in der Folgezeit zum Organisator des meteorologischen Dienstes in Frankreich. Anfangs ein Service, der vornehmlich der Seefahrt nutzte, später auch der Landwirtschaft. Le Verrier schlug vor, einen europaweiten Informationsaustausch der Observatorien einzurichten. Diese Kooperation wurde zur Geburtsstunde des heutigen wissenschaftlichen Verbundes der Wetterdienste aller Länder.

So wurde Le Verrier zum Begründer des Internationalen Meteorologischen Instituts. Am 7. September 1863 wurde im Bulletin des Pariser Observatoriums die erste Wetterkarte für Europa publiziert mit Hilfe von telegrafisch eingeholten Informationen. In Deutschland erschien das erste Mal am 16. Februar 1876 eine tägliche Wetterkarte, herausgegeben von der Deutschen Seewetterwarte. Aber erst seit 1881 werden Wetterkarten regelmäßig erstellt.

Als Le Verrier 1877 starb, hatte er gerade damit begonnen, sein Observatorium mit einem neuen Teleskop auszurüsten. Heute existiert ein weltweites Wetterbeobachtungsnetz, das Bodenstationen, aerologische Stationen sowie Flugzeug-, Schiffs- und Satellitenbeobachtungen umfaßt. Überall auf der Welt werden mehrmals pro Tag Wetterballons in die Atmosphäre geschickt.

Der Wetterbericht wird häufig bespöttelt, wenn das Wetter nicht so wird, wie es Kachelmann & Co. vorhergesagt haben. Doch die Wetterfrösche sind besser als ihr Ruf. Die Genauigkeit ihrer Vorhersagen liegt zwischen 80 und 85 Prozent über einen Zeitraum von einem Tag.