Mit Mode für mollige Frauen kennt sich Ingrid Martin-Zick - Konfektionsgröße 46 - bestens aus. Schließlich arbeitet die 34jährige seit Jahren als Oversize-Model, gibt Modetips in der Zeitschrift "Frau im Trend" und hat sich vor vier Jahren mit ihrer MOS Agentur Big Beauty auf die Vermittlung von molligen Models spezialisiert. Ein Drittel ihrer 110 Models, die Konfektionsgrößen zwischen 42 und 56 tragen, sind Profis.

JOURNAL: Wie kamen Sie zu einer Agentur für mollige Models?

INGRID MARTIN-ZICK: Ich habe 1999 einen Model-Wettbewerb bei einem Versandhaus für große Größen gewonnen. Ein Jahr habe ich danach nebenberuflich als Model gejobbt und dann die Agentur übernommen. Ich mache das allerdings mehr aus ideologischen Gründen, weil ich in dem Bereich was bewegen will. Ich finde es einfach furchtbar, daß das Bild vermittelt wird, nur schlanke Menschen seien schön und erfolgreich. Es sollten alle in der Werbung berücksichtigt werden, auch Mollige.

JOURNAL: Ab welcher Konfektionsgröße ist eine Frau mollig?

MARTIN-ZICK: Es fängt so ab Größe 42 an. Die meisten Buchungen liegen bei uns zwischen den Modelgrößen 42 bis 46. Viele Oversize-Hersteller haben ihre Musterkollektionen in diesem Bereich. Und die Frauen sehen absolut ästhethisch aus.

JOURNAL: Können mollige Models von diesem Beruf leben?

MARTIN-ZICK: Wenige. Ich kenne nur etwa zehn Models in Deutschland, die wirklich gut von diesem Job leben können. Denn die wenigsten Firmen machen tatsächlich auch Werbung mit Molligen. Ich habe mal von einem Boutique-Inhaber gehört, daß er glaubt, dicke Frauen sähen die Kleider lieber an einem Model mit Größe 40, weil sie sich dann einbilden, sie könnten auch so schlank aussehen.

JOURNAL: Welche Eigenschaften muß ein Model für Sie haben?

MARTIN-ZICK: Sie sollte mindestens 1,73 Meter groß und gut proportioniert sein. Es gelten dieselben Kriterien wie bei schlanken Models, nur eben mit 30 Kilo mehr. Die Birnen-Figur geht gar nicht. Sie muß sportlich und gepflegt sein, eine gute Ausstrahlung haben und sich elegant bewegen können.

JOURNAL: Gibt es eine Grenze nach oben?

MARTIN-ZICK: Auf dem Laufsteg habe ich noch nie ein Model mit mehr als Größe 52 gesehen. In der allgemeinen Mode-Werbung sind die Grenzen weit nach oben offen, aber das ist dann oft Kleidung, die dicke Frauen nicht wirklich toll finden. Denn sie stehen dann Modell für Themen wie "Ich bin dick und trotzdem glücklich".

JOURNAL: Kostet es viel Überwindung, als Mollige auf den Laufsteg zu gehen?

MARTIN-ZICK: Ich beobachte seit einigen Jahren, daß die molligen Frauen heutzutage viel selbstbewußter sind. Vor allem junge Frauen haben kein Problem damit, sich zu präsentieren.

JOURNAL: Sind dicke Models genauso zickig wie dünne?

MARTIN-ZICK: Die molligen Frauen sind oft selbstbewußte Persönlichkeiten. Wer als dickere Frau auf den Laufsteg geht und sich vor Kameras präsentiert, hat sich viel mit seinem Körper auseinandergesetzt. Diese Frauen stehen meistens über Zickereien.

JOURNAL: Würden Sie sich die Mode, die Ihre Models vorführen, kaufen?

MARTIN-ZICK: Leider wird "mollig" heute immer noch mit "alt" assoziiert. Doch wenn man sich auf der Straße umschaut, fällt auf, daß gerade viele junge Frauen mollig sind. Auf dem Laufsteg ist die Mode für sie eher bieder. Ich selber muß auf den Shows oft Kollektionen für Frauen ab 60 Jahren vorführen. Die Sachen entsprechen dann selten meinem Geschmack. Bei der Katalogwerbung ist das was anderes. Da wird junge Mode an Molligen fotografiert.

JOURNAL: Reagiert die Modeindustrie genug auf pfundige Frauen?

MARTIN-ZICK: In den vergangenen zwei Jahren hat sich da doch einiges getan. Die Hersteller, die auf Zack sind, haben erkannt, daß mollige Frauen keine Zelte mehr wollen. Die wollen auch ihre Kurven zeigen, wollen trendy sein und den Schlanken in nichts nachstehen. Das Problem ist jedoch: Es gibt zwischen den günstigen und teuren Anbietern relativ wenig Kleidung in Übergrößen.