Ein Gasunglück in einem Wohnhaus erschüttert Wiesbaden. Aus einer defekten Heizung strömte Gas aus. Viele Bewohner hatten noch Glück.

Wiesbaden. Der Tod kam lautlos und geruchlos: Drei Menschen sind in Wiesbaden an Gas aus einer defekten Heizungsanlage erstickt. In dem Mehrfamilienhaus am Stadtrand starben am Donnerstag früh Vater, Mutter und der älteste Sohn einer türkischen Familie. Die beiden jüngsten Söhne sind schwer verletzt. „Ich bin tief erschüttert“, sagt Bürgermeister Arno Goßmann an der Unglücksstelle. Und die Tragödie hätte noch schlimmer enden können: Das giftige Gasgemisch hatte sich im ganzen Haus verteilt. „Das Gas kriecht durch alle Ritzen und Räumlichkeiten“, sagt Polizeisprecherin Petra Volk. Sie spricht von „Glück im Unglück“: Der Notarzt, der morgens gegen halb acht zu einem 23-Jährigen gerufen wurde, habe richtig reagiert.

Weil der ohnmächtige junge Mann Kohlenmonoxid im Blut hatte, alarmierte der Mediziner die Feuerwehr. Die Rettungskräfte brachten aus allen Wohnungen die Menschen ins Freie. Doch im dritten Stock unter dem Dach konnten sie nur noch zwei Kinder retten.

Am Vormittag hält die Polizei den Wohnblock mit seinen drei Eingängen abgeriegelt. In der Mitte, Klagenfurter Ring 76, ist das Unglück passiert. Dort unten im Keller steht die Gaszentralheizung, aus der mutmaßlich die giftigen Gase Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) ausgetreten sind. Auch die Bewohner der Hausnummern 74 und 78 mussten ihre Wohnungen verlassen.

Hinter der Absperrung suchen Feuerwehrleute und Ermittler der Kriminalpolizei nach der Unglücksursache. Etwa 20 Leichtverletzte sitzen in einem Feuerwehrbus, Ärzte und Sanitäter kümmern sich um sie. Später werden die Menschen in das Mutter-und-Kind-Café im nahen Nachbarschaftszentrum gebracht. Es sind viele ältere Menschen darunter, aber auch eine junge Familie.

Gerd Kolpatzik aus der Hausnummer 74 wartet auf der Straße. „Ich habe zuerst die Feuerwehr nur gehört“, erzählt er. Dann habe er gesehen, wie Menschen aus dem Nachbareingang getragen wurden. „Es ist mein Geburtstag heute“, erzählt der 77-Jährige. Eigentlich will er in seine Wohnung, um dann zu seiner Tochter zu fahren. Doch noch darf er nicht zurück. Die Rettungskräfte wollen sichergehen, dass sich das tödliche Gas vollständig verflüchtigt hat.

Das viergeschossige Wohnhaus wirkt gepflegt, 2006 hat es einen neuen gelb-grauen Anstrich bekommen, die Balkongitter sind aus rot-braunem Holz. Es ist ein Wohnblock, in dem vor allem die alteingesessenen deutschen Mieter einander kennen. Kolpatzik zum Beispiel wohnt seit 1962 hier. Die türkische Familie sei erst vor kurzem zugezogen, berichten Nachbarn. Der Vater sei Wachmann gewesen, er habe die Uniformjacke einer Sicherheitsfirma getragen. Die Jungen seien zur Schule gegangen. Doch näher kennen nicht einmal die ebenfalls türkischen Nachbarn aus der 78 die Opfer.

Immer wieder kehren am Vormittag besorgte Bewohner zurück, die zur Unglückszeit außer Haus waren. „Ich war bei der Arbeit“, sagt eine Frau aus Hausnummer 74. Ihre Augen sind rot von Tränen. Sie sucht bei den Feuerwehrleuten Gewissheit, dass ihren beiden Kindern nichts passiert ist. „Mein Töchter gehen normalerweise um halb acht zur Schule.“ Eine andere Frau lebt im Parterre des Unglückshauses. „Ich war heute Nacht bei meiner Mutter“, erzählt sie. Und sie mag sich nicht vorstellen, wie es ihr hätte ergehen können.

Auf ihren Vermieter lassen die Leute nichts kommen. Doch Rentner Kolpatzik berichtet auch, dass es mit der Gaszentralheizung in jüngster Zeit Probleme gegeben habe. „Zwei Totalausfälle“, sagt er. Angeblich sei es die Elektronik gewesen. Ein Ermittler der Kripo Wiesbaden hört aufmerksam zu.