Der Amokläufer von Winnenden, Tim K., hatte praktisch keine echten Freunde und saß nur noch vor dem Computer. Seine Schwester warnte vor ihm.

Stuttgart. Er war ein einsamer Junge , der sich vor allem mit Computerspielen beschäftigte - so zeichnet der beste Freund des Amokläufers von Winnenden Tim K. Der 17-Jährige K. war Zeugenaussagen zufolge geradezu süchtig nach Computer-Ballerspielen, prahlte mit Waffennachbildungen und den echten Pistolen und Gewehren seines Vaters, ließ die Schule schleifen und hatte kaum Freunde. Der Vater des Amokläufers muss sich vor dem Landgericht Stuttgart in einem bislang einzigartigen Prozess verantworten.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Weil er die Tatwaffe unverschlossenen im Schlafzimmer aufbewahrt hatte, machte er den Amoklauf möglich. Sein Sohn Tim K. hatte am 11. März 2009 in Winnenden und Wendlingen in Baden-Württemberg mit einer Waffe seines Vaters 15 Menschen und sich selbst erschossen. Gewaltspiele wie „Counter Strike“ spielte Tim K. nach Aussagen seines besten Freundes für sein Leben gerne. „Tim ging in dem Spiel voll auf“, berichtete der ermittelnde Beamte der Polizeidirektion Waiblingen, Thomas Neumann, am Dienstag von der Vernehmung des Freundes. Gemeinsam hätten sie auch Gewalt- und Horrorfilme gesehen, die erst ab 18 Jahren freigegeben waren, berichtete der Freund laut Polizei. Mit Soft-Air-Pistolen und Gewehren – mit denen Tim K. auch sein Jugendzimmer dekoriert hatte – hätten sie im Keller aber auch in einem Steinbruch geschossen. Auch mit den echten Pistolen und Gewehren des Vaters habe der 17-Jährige angegeben.

Laut Neumann verstieß der Vater des Amokläufers bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition gleich mehrfach gegen Vorschriften. 242 Schuss Munition unterschiedlichen Kalibers wurden in Hängeschränken, Schubladen, Sporttaschen oder auf dem Waffentresor gefunden. Insgesamt sammelte die Polizei im Haus sogar mehr als 5100 Schuss Munition ein, der Großteil lagerte aber in abschließbaren Schränken. Die Liste der Verstöße gegen die Vorschriften in der Familie ist lang. Auch an Tims Wand hingen laut Polizei zwei Waffen, die er erst mit 18 hätte besitzen dürfen. Woher Tim K. die 285 Schuss Munition hatte, mit der er den Amoklauf antrat, bleibt aber weiter unklar.

+++ Das Waffenrecht in Deutschland +++

Nach Angaben der Polizei hat die Schwester von Tim K. in Chat- Einträgen im Internet berichtet, dass sich ihr Bruder etwa im Alter von 14 Jahren veränderte, keine echten Freunde mehr gehabt hat und nur noch vor dem Computer saß. Daheim sei nie über Gefühle gesprochen worden, Tims schlechte Schulleistungen standen stets im Vordergrund, zitierte der Polizist aus einem Chat-Eintrag. Die Schwester warnte im Chat davor, dass ihr Bruder manisch-depressiv werde. Aus einem Protokoll einer Schulpsychologin über Tim K. geht laut Polizei zudem hervor, dass er als „durchschnittlich intelligent“ eingestuft wurde. Er habe aber ein Problem mit der Motivation. Die Eltern des späteren Amokläufers hatten 2007 das Gespräch mit der Psychologin gesucht, weil sie vermuteten, Tim sei überfordert.

Der Amokläufer von Winnenden ist nach Recherchen der Polizei kein Mobbing-Opfer gewesen. „Der Tim wurde geärgert wie andere Schüler auch“, sagte der ermittelnde Beamte der Polizeidirektion Waiblingen, Thomas Neumann, vor dem Landgericht Stuttgart am Donnerstag. Von Schülern und Lehrern sei der 17-Jährige übereinstimmend als unauffällig, eher passiv, zurückgezogen und mittelmäßig bis schlechter Schüler beschrieben worden.

Tim K. sei häufig versetzungsgefährdet gewesen und habe Nachhilfeunterricht erhalten. Einer Nachhilfelehrerin habe der Jugendliche erzählt, er habe Versagensängste, fühle sich von Lehrern ignoriert und nicht ernst genommen. „Tim K. hatte Schwierigkeiten, auf Menschen zuzugehen“, zitierte Neumann aus den Ermittlungsakten eine Nachhilfelehrerin.