Dominique Strauss-Kahn räumte im Prozess zwar Sexorgien ein. Trotzdem forderte die Staatsanwaltschaft nun einen Freispruch für den 65-Jährigen.

Lille. Im Zuhälterei-Prozess gegen Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den 65-Jährigen gefordert. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass sich Strauss-Kahn der schweren Zuhälterei schuldig gemacht habe, sagte Staatsanwalt Frédéric Fèvre am Dienstag vor dem Gericht im nordfranzösischen Lille. Dem früheren sozialistischen Spitzenpolitiker war vorgeworfen worden, Sexpartys mit Callgirls mitorganisiert zu haben.

Nach eigener Aussage hat Dominique Strauss-Kahn an Sexorgien teilgenommen, während er als Direktor des Internationalen Währungsfonds mit der Bewältigung der Finanzkrise befasst war. Er habe seine „Eroberungen“ grob behandelt und verspüre außergewöhnlich häufig das Verlangen nach Sex, gab Strauss-Kahn vor Gericht zu.

Und doch wackelt das Verfahren gegen ihn, das nun in die Schlussphase geht. Denn strafbare Handlungen konnten ihm bislang nicht nachgewiesen werden. Am Montag ließen mehrere Nebenkläger ihre Verfahren gegen den ehemaligen IWF-Chef zurück – mangels Erfolgsaussichten. Beobachter halten einen Freispruch für wahrscheinlich.

Vorwurf: Schwere Zuhälterei

Der 65-Jährige muss sich seit Anfang Februar mit 13 weiteren Personen im nordfranzösischen Lille wegen schwerer Zuhälterei vor Gericht verantworten. Den Angeklagten wird vorgeworfen, Sexpartys mit Prostituierten in Frankreich, Washington und Brüssel organisiert zu haben. Strauss-Kahn betont jedoch, er habe nicht gewusst, dass es sich bei den an den Orgien beteiligten Frauen um Prostituierte handelte.

Zwei seiner Mitangeklagten sagten aus, sie selbst hätten die Frauen angeworben und bezahlt und dafür gesorgt, dass Strauss-Kahn davon nichts erfahre. Tatsächlich war sogar die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Beweise für eine Anklage gegen den einstigen sozialistischen Spitzenpolitiker nicht ausreichten. Sie sprach sich 2013 dagegen aus, ihm den Prozess zu machen. Ermittlungsrichter setzten sich aber darüber hinweg. Im Fall einer Verurteilung drohen im bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe bis zu 1,5 Millionen Euro.

Carlton-Affäre

Während des Prozesses um die sogenannte Carlton-Affäre, benannt nach einem Luxushotel in Lille, in dem ausschweifende Sexpartys gefeiert wurden, beschrieben zwei Prostituierte in ihrer Aussage unter Tränen brutale Sexualpraktiken. Eine von ihnen sagte, sie habe sich wie Fleisch in einem Schlachthaus gefühlt.

Doch sie wie alle anderen in der Anklageschrift erwähnten Prostituierten erklärten, sie hätten aus eigenem Antrieb an den Partys teilgenommen und seien nie direkt von Strauss-Kahn bezahlt worden. Auch hätten sie ihm nie gesagt, dass sie für ihre Sexdienstleistungen bezahlt würden.

Selbst einer der Kläger räumte ein, dass der Fall nicht eindeutig sei. „Ich bin absolut sicher, dass Herr Strauss-Kahn wusste, dass in diesem internationalen Ring einige Prostituierte waren. Reicht das aus, um daraus den Vorwurf der Zuhälterei zu begründen? Wir werden darüber diskutieren“, sagte der Anwalt David Lepidi.

Mehrere Missbrauchsvorwürfe

Der damalige IWF-Direktor Strauss-Kahn galt als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat, bis er 2011 nach Vorwürfen sexuellen Missbrauchs zurücktreten musste. Die entsprechenden Beschuldigungen eines New Yorker Zimmermädchens wurden später von der Staatsanwaltschaft fallengelassen, der Fall wurde außergerichtlich geregelt.

Aber damit war Strauss-Kahn noch nicht aus dem Schneider. Darüber hinaus beschuldigte ihn eine französische Schriftstellerin der versuchten Vergewaltigung, allerdings war die mutmaßliche Tat verjährt. In Lille steht Strauss-Kahn nun erstmals vor Gericht.

Vorliebe für ausgefallenen Sex

Im Prozess räumte er eine Vorliebe für ausgefallenen Sex ein, erklärte aber, er habe gedacht, die Frauen seien ausschweifende Freigeister wie er selbst. Für einen Schuldspruch müsste im Prozess bewiesen werden, dass Strauss-Kahn wusste, dass es sich bei den Frauen um Prostituierte handelte und er ihre Aktivitäten als Prostituierte organisierte oder finanziell von ihnen profitierte.

Prostitution selbst ist in Frankreich legal, nicht aber die Organisation eines Prostitutionsrings oder, Profit aus dem Geschäft einer Prostituierten zu schlagen. Ermittlungsrichtern zufolge zeigen Textbotschaften von Strauss-Kahn und einem Mitangeklagten, dass Strauss-Kahn der „Dreh- und Angelpunkt und der Hauptnutznießer“ der Orgien gewesen sei. Teilweise sei er der Initiator und einziger Nutznießer gewesen und von mehreren Frauen gleichzeitig bedient worden. Zudem habe er die Prostitution gefördert, indem er für einige der Frauen eine Wohnung bereitgestellt habe.

DSK zunehmen selbstsicherer

Strauss-Kahn, der im Verlauf des Verfahrens zunehmend selbstsicherer wirkte, könnte zum Abschluss des Prozesses am Freitag selbst noch einmal das Wort ergreifen. Die drei Richter entscheiden am Freitag, wann sie ein Urteil verkünden.

Der Vorsitzende Richter Bernard Lemaire hat – mit frustriertem Unterton in der Stimme – wiederholt erklärt, dass in dem Prozess häufig „Gefühle“ ausgedrückt würden. Harte Fakten vermisste er offenbar. Bei der Eröffnung des Verfahrens betonte er, dass das Gericht nicht über freiwillige sexuelle Handlungen unter Erwachsenen urteilen werde. „Das Gericht“, sagte er, „ist nicht der Wächter der Moral, sondern des Gesetzes.“