Nach der Geiselnahme in Sydney mischt sich Empörung unter die Trauer, wie der vorbestrafte Täter auf freiem Fuß sein konnte. Premier Abbott kritisierte die Behörden. Auch aus dem Iran gab es Warnungen.

Sydney/Teheran. Nach dem blutigen Ende einer Geiselnahme in einem Café im australischen Sydney wächst die Empörung über die australischen Behörden. Australiens Regierungschef Tony Abbott kritisierte den früheren Umgang der Behörden mit einem angeklagten und von Extremismus besessenen Täter. „Wie kann jemand mit so einer Geschichte ... auf freiem Fuß sein?“ fragte Abbott am Dienstag in Sydney.

Auch aus dem Heimatland des getöteten Geiselnehmers, dem Iran, soll es Hinweise gegeben haben: Die Teheraner Polizei hat nach eigenen Angaben Australien mehrmals vor dem ausgewanderten Man Haron M. gewarnt. „Dieser Mann war ein Betrüger und hat sich bei seinem Asylantrag in Australien als politischer Dissident ausgegeben“, sagte Irans Polizeichef Ismaeil Ahmadi Moghaddam am Dienstag. All dies sei der australischen Polizei auch mitgeteilt worden.

Der Mann habe in Teheran eine Reiseagentur und mehrere Kunden betrogen, so der Polizeichef laut der Nachrichtenagentur ISNA. Um nicht ins Gefängnis zu kommen, sei er 1996 zunächst nach Malaysia geflohen und von dort aus nach Australien. Das iranische Außenministerium hatte am Montag die Geiselnahme in Sydney scharf verurteilt und den Geiselnehmer als geistesgestört bezeichnet.

Man Haron M. (50) hatte am Montag ein Café in Sydney überfallen und 17 Geiseln teils 16 Stunden lang in seiner Gewalt. Er terrorisierte die Geiseln mit Todesdrohungen und stellte seine Gewaltaktion als Angriff der Terrormiliz Islamischer Staat dar. Die Polizei stürmte das Café in der Nacht, nachdem sie Schüsse gehört hatte. Auch M. kam dabei ums Leben.

Der selbst ernannte Scheich und Wunderheiler war unter anderem wegen Beihilfe zum Mord an seiner Ex-Frau und sexuellen Übergriffen in mehr als 40 Fällen angeklagt. Extremistische Tendenzen des Täters waren lange bekannt.

Premier Abbott: „Hätte die Geiselnahme verhindert werden können?“

Als eine Reaktion auf die Geiselnahme sollen die Bestimmungen verschärft werden, unter denen Angeklagte gegen Kaution auf freiem Fuß bleiben, wie der Ministerpräsident des Bundesstaates New South Wales, Mike Baird, ankündigte. „Wir sind alle entsetzt, dass dieser Typ frei herumlief“, sagte er.

Abbott bezeichnete den Täter als psychisch labil und stellte die Frage, warum M. nicht auf der Terror-Beobachtungsliste des Landes gestanden habe. „Wir müssen uns fragen: Hätte dies verhindert werden können?“ Der Premier gedachte wie viele andere Australier an einer spontan entstandenen Gedenkstätte der beiden getöteten Geiseln und legte Blumen nieder.

Die Polizei hatte am Montag stundenlang mit dem Geiselnehmer verhandelt. Er verlangte unter anderem eine Flagge der IS-Terrormiliz und ein Gespräch mit Tony Abbott. Die Stürmung des Cafés sei nötig geworden, um Leben zu retten, sagte Polizeichef Andrew Scipione. Ob die Opfer durch Kugeln des Täters oder der Polizei umkamen, müsse die forensische Untersuchung zeigen.

Unter den Opfern war auch der 34-jährige Manager des Cafés. Er soll kurz vor der Stürmung des Cafés versucht haben, M. die Waffe zu entreißen. „Wir sind so stolz auf unseren wunderbaren Jungen“, teilten seine Eltern in einer Stellungnahme mit. Das zweite Opfer war eine 38 Jahre alte Anwältin und Mutter von drei Kindern im Alter unter acht Jahren. Der Anwaltsverband pries sie als eine der Besten aus ihren Reihen, und als „hingebungsvolle Mutter“.

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