Ein Geiselnehmer hält Sydney über Stunden in Atem. Dann schlägt die Polizei zu. Der Täter soll radikaler Muslim gewesen sein. Oder doch nur ein gewöhnlicher Krimineller? Drei Menschen kommen ums Leben.

Sydney. Nach 16 Stunden hat die Polizei im australischen Sydney eine Geiselnahme mit möglicherweise islamistischem Hintergrund beendet. Schwerbewaffnete Sicherheitskräfte stürmten das Café in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit). Drei Menschen sind getötet worden, darunter der Geiselnehmer. Vier weitere Menschen wurden verletzt, wie die australische Polizei mitteilte. Der 50-jährige Geiselnehmer sei erschossen worden, hieß es in der Mitteilung. Er sei im Krankenhaus für tot erklärt worden. Außerdem sei im Krankenhaus der Tod eines 34-jährigen Mannes und einer 38-jährigen Frau festgestellt worden.

Der bewaffnete Mann – wohl ein Einzeltäter – war am Montagmorgen um kurz vor zehn Uhr Ortszeit in das Lindt Chocolat Café am Martin Place in Sydneys Innenstadt gestürmt. Wie viele Menschen sich zu dem Zeitpunkt dort aufhielten, war unklar. Nach Angaben der Vize-Polizeichefin Catherine Burn waren es weniger als 30.

Der 49- oder 50-jährige Geiselnehmer, dem Australien Asyl gewährte, bezeichnete sich den Angaben zufolge selbst als muslimischer Kleriker und Heiler. Auf TV-Bildern war zu sehen, dass er ein Stirnband mit arabischen Schriftzeichen trug und mehrere Geiseln zwang, eine schwarze Flagge mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis in die Fensterscheibe des Cafés zu halten.

Seine genauen Motive waren laut Polizei unklar. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge forderte der Geiselnehmer mehrfach, den australischen Regierungschef Tony Abbott zu sprechen. Der Iraner sei wegen sexueller Übergriffe in mehr als 40 Fällen sowie im Zusammenhang mit dem Tod seiner Ex-Frau wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, berichteten Medien übereinstimmend. Er sei gegen Kaution auf freiem Fuß gewesen, sagte Anwalt Manny Conditsis, der den Mann im vergangenen Jahr verteidigt hatte. Der Iraner schrieb auch Hassbriefe an Angehörige gefallener australischer Soldaten.

Schwer bewaffnete Einsatzkräfte in Stellung

Fünf der Geiseln hatten noch am Tage aus dem Café im Geschäftsviertel entkommen können. Fotos zeigten eine Angestellte mit Schürze, die mit Panik im Gesicht auf Polizisten in schwerer Montur zurannte. Ob der Geiselnehmer seine Opfer freiließ oder sie flüchten konnten, sagte die Polizei nicht.

Die Beamten riegelten den Tatort weiträumig ab, überall gingen schwer bewaffnete Einsatzkräfte in kugelsicheren Westen in Stellung. Gebäude wurden geräumt, darunter vorsichtshalber auch das berühmte Opernhaus. Die Polizei verhandelte nach eigenen Angaben mit dem Geiselnehmer. Dann flüchteten in der Nacht gegen 02.30 Uhr sechs weitere Geiseln, worauf die Polizei das Lokal stürmte. Es fielen Schüsse, Explosionen waren zu hören. Verletzte wurden auf Tragen zu Krankenwagen gebracht.

Fernsehsender hatten den Geiselnehmer schon am Morgen durch ein Fenster des Cafés gefilmt. Auf der Fahne standen die Worte der sogenannten Schahada („Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“), die auch von Islamisten wie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) benutzt werden.

In Australien gilt seit September Terror-Alarmstufe drei von vier, was bedeutet: „Terroranschlag wahrscheinlich“. Bei einer Großrazzia hatte die Polizei damals nach eigenen Angaben einen Anschlag auf australischem Boden vereitelt, bei dem ein beliebiger Passant auf der Straße entführt und enthauptet werden sollte. Australien beteiligt sich mit mehreren Hundert Elitesoldaten und Flugzeugen an der internationalen Allianz gegen die Terrormiliz IS in Syrien und Irak.

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