Schweizer Chocolatier reagiert bestürzt auf blutige Freiheitsberaubung in australischer Filiale. Premierminister Abbott sieht Täter als „tief verstört“. Bombenalarm in Canberra schreckt Australier weiter auf.

Sydney/Canberra. Nach dem blutigen Ende einer Geiselnahme in einem Café im australischen Sydney sind weitere Details des stundenlangen Dramas bekannt geworden. Australiens Premierminister Tony Abbott sieht die Tat als Akt eines „tief verstörten und psychisch labilen Individuums“. Der getötete Geiselnehmer sei zwar Polizei bekannt gewesen, habe aber wohl nicht auf den Terrorwarnlisten der Behörden gestanden, sagte Abbott am Dienstag.

Die Geiselnahme war in der Nacht (Ortszeit) nach mehr als 16 Stunden mit einer Befreiungsaktion der Sicherheitskräfte blutig zu Ende gegangen. Drei Menschen kamen ums Leben, unter ihnen auch der aus dem Iran stammende Täter Man Haron M.. Sechs weitere Personen wurden verletzt. Der selbst ernannte Prediger hatte in dem Café am Martin Place insgesamt 17 Geiseln in seine Gewalt gebracht, von denen Einige später fliehen konnten.

Bei den beiden getöteten Geiseln handelte es sich um eine Rechtsanwältin und den Manager des Lindt-Cafés. Der Tatort glich am Dienstag einem Blumenmeer.

Der 50-jährige Geiselnehmer habe eine „lange Vergangenheit“ gewalttätiger krimineller Taten und sei zudem „vernarrt“ in Extremismus gewesen, sagte Abbott. Als sich die Geiselnahme vom Montag allmählich entwickelt habe, habe er dann versucht, seine Taten mit der „Symbolik des Todeskults“ der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) zu untermauern, sagte der Premier. Zwischendurch soll er nach einer IS-Flagge verlangt haben, außerdem mussten die Geiseln eine islamische Fahne an ein Fenster halten.

Lindt reagiert bestürzt auf Geiselnahme

Abbott lobte die Polizei für ihren Einsatz. Die Australier könnten angesichts der Reaktion der Einsatzkräfte beruhigt sein, sagte er. Natürlich müssten aus der Geiselnahme „Lehren gezogen werden“. Zuvor werde aber detailliert geprüft, was sich am Martin Place abgespielt habe und warum, sagte Abbott. Das allerdings könne einige Zeit dauern.

Der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt zeigte sich bestürzt über den blutigen Ausgang des Dramas in einem seiner Cafés. „Wir sind am Boden zerstört“, erklärte Lindt am Montagabend angesichts der Opfer, die ein derartiges „Trauma“ erlebt hätten. Lindt-Geschäftsführer Ernst Tanner zeigte sich „schockiert und zutiefst traurig“. Er könne kaum fassen, dass sich eine derartige Gewalttat tatsächlich abgespielt habe, erklärte Tanner und sprach den Betroffenen sein Mitgefühl aus.

Am sonst so belebten Martin Place, wo für gewöhnlich täglich tausende Menschen in alle Richtungen in ihre Büros strömen, herrschte am Dienstag Ausnahmezustand. Schon gegen Mittag glich der Platz einem Blumenmeer, viele Menschen zündeten Kerzen an und trugen sich in die Kondolenzbücher ein, die am Platz vor dem Café auslagen. An Regierungsgebäuden und Sehenswürdigkeiten wehten die australischen Flaggen auf Halbmast.

„Es ist so traurig“, sagte die Passantin Angelica Haifa der Nachrichtenagentur AFP. „Sie wollten sich nur einen Kaffee kaufen. Das hätte Jeder hier sein können.“ Auch Vertreter der muslimischen Gemeinde kamen zu dem Platz. Noch während der Geiselnahme hatte es am Montag eine Internetaktion aus Solidarität mit der muslimischen Gemeinde gegeben.

Details wurden am Dienstag auch zu den beiden getöteten Geiseln bekannt: Bei den beiden Todesopfern handelte es sich um eine dreifache Mutter und erfolgreiche Rechtsanwältin im Alter von 38 Jahren sowie um den 34-jährigen Manager des Lindt-Cafés.

Bombenalarm im australischen Außenministerium

Unterdessen hielt die australische Polizei wenige Stunden nach dem Geiseldrama auch ein Bombenalarm im Außenministerium in Canberra in Atem. Der Alarm war am Dienstag vorübergehend ausgelöst worden, nachdem ein verdächtiges Päckchen entdeckt wurde.

Die Polizei räumte das Gebäude in Canberra, doch erwies sich das Paket schnell als harmlos, wie die Polizei mitteilte. Mehrere Straßen waren in der Umgebung vorsorglich gesperrt worden.

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