Schmutzige Gerätschaften, Fliegen auf dem OP-Besteck - ein Hygieneskandal erschüttert das Uniklinikum Mannheim. Haben die Mängel mit dem Sparzwang der Klinik zu tun? Geschäftsführer Alfred Dänzer ist zurückgetreten.

Mannheim. Fliegen auf dem OP-Besteck, Gerätschaften, die nach der Reinigung absolut nicht sauber sind - bei den Berichten über den Hygienskandal am Mannheimer Uniklinikum packt einen das Grauen. Wer als Patient in den OP geschoben wird, der braucht viel Vertrauen – in den Arzt, der das Messer ansetzt, und in die Sauberkeit eben dieses Messers. Der Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim droht dieses Vertrauen zu erschüttern. Der Geschäftsführer des Krankenhauses, Alfred Dänzer, reichte bei einer Sondersitzung des Auftsichtsrats am Mittwochabend seinen Rücktritt ein. Das Klinikum bestätigte am Donnerstag einen Bericht des "Mannheimer Morgens".

Es geht um unappetitliche Details wie eine Fliege im OP-Besteck und Gerätschaften, die schmutzig aus der Reinigung gekommen sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beamte schleppen kistenweise mögliches Beweismaterial aus der Klinik. Nicht nur Patienten, auch Mitarbeiter sind verunsichert. Es mehren sich die Vorwürfe, dass die Hygienemängel mit Sparzwängen des Krankenhauses zu tun haben.

Durch einen anonymen Hinweis an die Ermittlungsbehörde und das Regierungspräsidium Karlsruhe kamen die Dinge Anfang Oktober ins Rollen. Die Karlsruher stellten unter anderem fest, dass Waschmaschinen für OP-Besteck ein TÜV-ähnliches Siegel fehlte. In ihnen werden die Geräte gereinigt; erst in einem weiteren Schritt folgt die Sterilisation – weshalb das Klinikum betont, die Geräte seien beim Einsatz steril gewesen. Die Leitung hat seither das OP-Programm drastisch reduziert: Gut 20 Eingriffe pro Tag gebe es, sagt ein Sprecher, statt sonst rund 60. Ärzte könnten derzeit viele Überstunden abbauen.

Die Leitung der Medizinischen Fakultät, die zusammen mit dem Universitätsklinikum die Universitätsmedizin Mannheim bildet, spricht in einem offenen Brief von einer Verharmlosung der „schweren Mängel“. „Vergleichbare Vorgänge hat es nach unserer Kenntnis an einer deutschen Universitätsklinik bisher nicht gegeben.“ Dekan Uwe Bicker sieht die Ursache des Skandals in einem „betriebswirtschaftlichen Kalkül“ und „dem Willen nach Kostensenkungen“. Adressat Peter Kurz, Mannheims SPD-Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef des Klinikums, äußerte sich empört. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Führung der Fakultät erscheint damit kaum mehr möglich“, erklärte er.

Der Frankfurter Experte für Krankenhaus-Hygiene, Christian Brandt, sieht ein generelles Problem in der deutschen Kliniklandschaft. „Auf der einen Seite wollen und müssen im Gesundheitswesen alle immer Geld sparen“, sagt er. „Auf der anderen Seite wird die Aufbereitung des OP-Bestecks immer komplexer. Da hat der Gesetzgeber in den letzten 10, 15 Jahren die Schrauben stark angezogen.“ Mitarbeiter in der Sterilisation müssten daher sehr gut geschult sein und wissen, was sie mit den blutverschmierten Geräten tun.

Die Uniklinik hat hier Fehler eingeräumt: Für Mitarbeiter, die das OP-Besteck reinigten, lägen teils nicht die nötigen Nachweise über ihre Qualifikation vor. „Es besteht ein erheblicher Bedarf, nachzuqualifizieren“, sagt der Sprecher. Das werde jetzt getan.

Experte Brand zufolge können es sich Krankenhäuser nicht mehr leisten, für die Reinigung Krankenpfleger abzustellen – jetzt übernehmen diese Aufgabe in der Regel angelernte Kräfte. „Da wird der Mindestlohn des Reinigungsgewerbes gezahlt, knapp zehn Euro.“ Früher hätten die Aufgabe oft noch besserbezahlte Krankenschwestern übernommen. „Es ist sicherlich schwierig, für wenig Geld gute Leute zu finden“, gibt Brandt vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene in Frankfurt am Main zu bedenken. Nirgendwo funktioniere alles hundertprozentig – gerade deshalb sei eine gute Kommunikation zwischen Medizinern und Reinigungskräften wichtig.

Daran scheint es in Mannheim gemangelt zu haben, wie interne Beschwerden nahelegen, aus denen „Spiegel Online“ zitiert. In einer von Anfang 2014 ist danach die Rede von einer toten Fliege im OP-Besteck. Die Einträge lesen sich wie Hilferufe: „Wir sind kein Produktionsbetrieb, hier geht es um Menschenleben.“ Und: „Bitte, bitte lassen Sie es nicht dazu kommen, dass Patienten zu Tode gespart werden.“ Das Klinikum will den Vorwürfen nachgehen: „Damit müssen wir uns auseinandersetzen.“