Oscar Pistorius schildert die Stunden der Tatnacht. Viele Zuschauer sind schockiert, als der Angeklagte ohne seine Prothesen die Tat nachstellt. Anschließend muss sich der Sportler übergeben.

Pretoria. Aufwühlende Momente im Mordprozess gegen Oscar Pistorius: Der Profisportler hat vor Gericht ohne Prothesen Szenen der Tat nachgestellt. Auf seinen Beinstümpfen stehend demonstrierte Pistorius am Dienstag die Umstände der Nacht, in der er seine Freundin Reeva Steenkamp getötet hatte.

Auf Anweisung seines Anwalts Barry Roux nahm der südafrikanische Paralympics-Star im Gerichtssaal von Pretoria erstmals seine Unterschenkel-Prothesen ab, um vor einem Modell der Toilettentür die Tat zu rekonstruieren. Die Absicht der Verteidigung war offensichtlich zu zeigen, wie verletzlich und klein der Sportler ohne Prothesen ist. Nach der Demonstration musste sich der leichenblasse Angeklagte übergeben.

Pistorius schilderte ausführlich die große Liebe zwischen ihm und seiner Freundin sowie die Ereignisse des Vorabends der Tat. Demnach war es ein friedlicher und liebevoller Abend mit Steenkamp. Beide seien an diesem sehr warmen Abend gegen 22.00 Uhr ins Bett gegangen. Er habe später verdächtige Geräusche gehört und habe geglaubt, jemand sei im Haus.

Er habe zunächst geschrien, um den mutmaßlichen Eindringling zu vertreiben, so Pistorius. Zudem habe er im dunklen Schlafzimmer Steenkamp angewiesen, sich auf den Boden zu legen und die Polizei zu alarmieren. Dann habe er nach seiner Waffe unter dem Bett gegriffen und sei zum Badezimmer geschlichen. Dabei habe er aber keinen Laut von sich gegeben, um dem Einbrecher keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort zu geben, schilderte Pistorius die Vorgänge, oft stammelnd und unter Tränen.

Streit und Spannungen zwischen Pistorius und Steenkamp

Außerdem hat der angeklagte Profisportler Streit und Spannungen mit seiner Freundin Reeva Steenkamp eingeräumt. „Ich war sehr verliebt in sie, ich war vernarrt in sie, aber ich glaube, ich stand mehr auf sie als sie auf mich“, sagte der südafrikanische Paralympics-Star, dessen Hände während der Zeugenaussage zitterten, am Dienstag vor Gericht in Pretoria. Zuweilen sei er „unsicher und eifersüchtig gewesen“. Pistorius wird vorgeworfen, seine Freundin am Valentinstag des vergangenen Jahres vorsätzlich getötet zu haben.

Der Sportler beschrieb, wie er Steenkamp durch einen Freund bei einer Autoverkaufsveranstaltung am 4. November 2012 kennengelernt hatte. „Die ersten sechs Tage, als wir uns kannten, riefen wir uns jeden Tag an“, erinnerte er sich. Sie seien beide damals aus schwierigen Beziehungen gekommen.

Am 27. Januar 2013 hatte Steenkamp ihm laut einer Textnachricht, die Pistorius am 18. Verhandlungstag mit gebrochener Stimme laut vorlas, heftige Vorwürfe gemacht. Während sie alles tue, um ihn glücklich zu machen, reagiere er oft unwillig, hatte das Model geschrieben. Manchmal habe sie Angst vor ihm. Sie sei deshalb sehr unglücklich. Weinend las der 27-Jährige dann seine Entschuldigung an seine damalige Freundin vor.

Pistorius streitet die tödlichen Schüsse auf Steenkamp nicht ab, erklärt die Tat aber als „tragisches Versehen“. Er habe in der Nacht zum 14. Februar 2013 in Panik durch die verschlossene Toilettentür seines Hauses geschossen, weil er dort einen Einbrecher vermutete. Der behinderte Sportler wird nach der Befragung durch seinen Verteidiger Staatsanwalt Gerrie Nel Rede und Antwort stehen müssen. Experten rechnen mit einem mehrtägigen Kreuzverhör.

Am Montag hatte sich der Sprintstar erstmals selbst im Gericht geäußert. Dabei entschuldigte er sich unter Tränen bei Steenkamps Familie, bevor er ausführlich über seine Kindheit sprach. Die Richterin brach die Befragung am Montagnachmittag ab, weil der Angeklagte völlig erschöpft war.