Die katholische Weltjugend feiert ihren Papst als Superstar. Macht Krach, geht auf die Straße, rüttelt auf, war eine seiner Botschaften. Nächster Weltjugendtag 2016 im polnischen Krakau.

Rio de Janeiro. Der Papst hat die katholische Jugend der Welt am Zuckerhut im Sturm erobert. Wo immer Franziskus auch hinkam, flogen ihm die Herzen zu. „Viva Papa!“ riefen die Menschen auf Rios legendärer Copacabana. Der Argentinier winkte, segnete, umarmte und küsste. Er ging zu den Jungen und Alten, den Armen und Kranken und dann auch zu den Mächtigen. Wohl keiner hat das Weltjugendtags-Motto so lebhaft, strahlend und humorvoll erfüllt wie Franziskus: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker der Erde.“ Mission erfüllt, so lautet das Fazit seiner ersten Auslandsreise als Chef der Kirche.

Auch bei der großen Schlussmesse am Copacabana-Strand machte der Argentinier vor Millionen jungen Gläubigen klar, wie sehr er und die Kirche mit Aufbruchstimmung durch neue Generationen rechnet. Und er lüftete ein Geheimnis, das alle wissen wollten: Krakau in Polen ist 2016 Schauplatz für ihr nächstes Rendezvous. Dann kann man auch eine erste Bilanz ziehen – geht die Kirche wirklich mehr an die „Ränder“?

Der Oberhirte von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken nutzte das Glaubensfest in Rio de Janeiro gezielt, um seiner in den letzten Jahren von Skandalen heimgesuchten Kirche neuen Schwung zu geben - und Mut. Vor allem in Europa hat sie mit Priestermangel und oftmals nahezu leeren Gotteshäusern zu kämpfen. Dieser Papst aus dem Süden, der auch in Rio etwas antiquiert klingende Begriffe wie „Teufel“ und „Sünde“ nicht scheute und die lateinische Sprache nicht mied, weiß, auf wen er setzen muss: Die Jugend, die aus allen Kontinenten nach Rio gereist war. Und auch die kommt vor allem aus dem Süden.

Der 76-Jährige schonte sich nicht. Selbst sein Sprecher Federico Lombardi war überrascht von seiner „fast unerschöpflichen Energie“. Es war wohl das, was sein zehn Jahre älterer Vorgänger Benedikt XVI. im Februar bei seinem Rücktritt meinte, als er sagte, auf den Stuhl Petri müsse jemand sitzen, der mehr Kraft mitbringe. „Das ist auf eine unglaubliche Art eingetreten“, so Lombardi. Der Papst wurde in Rio wie ein Popstar gefeiert, obwohl sein Motto seit Amtsantritt eigentlich ist: „Ruft nicht Franziskus! Ruft Jesus!“.

Und das gab er auch den Armen in der Favela Varginha, den Suchtkranken im Hospital São Francisco de Assis und den begeisterten jungen Menschen an der Copacabana mit auf den Weg: „Es gibt kein Kreuz in unserem Leben – sei es klein oder groß -, das der Herr nicht mit uns teilt.“ Franziskus war als lächelnder Mutmacher, als Tröster und als nahbarer Papst unterwegs, der sich wie schon in seinen ersten Monaten im Vatikan wenig um Status-Symbole scherte.

Die Jugend liegt richtig, wenn sie aufbegehrt

Auf der Rückbank eines Kleinwagens fuhr er auf den Straßen Rios von Termin zu Termin, und er ließ dabei das Fenster runtergekurbelt, ob bei Regen, Sturm oder schneller Fahrt. Um dann auch Politisches zu verkünden: Die Jugend liegt richtig, wenn sie aufbegehrt, auch die Kirche ist gegen Gewalt, Korruption, Rassismus und ungerechte soziale Verhältnisse. Die Reichen und die Politik sollten das wissen.

Ja, er ist auf dem besten Weg zum Superstar. Untrügerische Zeichen: Die Menge am Copacabana-Strand kreischte schon, als der Papst aus dem Helikopter stieg. Mit Gesten à la Bruce Springsteen feuerte er die Gläubigen zu stärkerem Jubel an, hielt dann erwartungsvoll eine Hand hinter die Ohrmuschel. Folgt ihr mir? Volksfestcharakter nahmen die Partys der katholischen Jugend mit ihrem Franziskus im Sand von Rio an. Was machte es für viele der ein oder zwei Millionen Pilger aus, dass die Bühne mit dem Kirchenoberhaupt wie beim Rockkonzert weit weg war?

Mit Jesus gegen Gewalt, Korruption und Hunger

Mission also erfüllt. Dass es für den Argentinier nur ein Heimspiel sein konnte, war absehbar. Franziskus, der Demut predigt, genoss es dabei sichtlich, von Millionen Menschen gefeiert zu werden. Und dann sah man ihn abfahren in dem kleinen Fiat, zwischen all den großen dunklen Begleitlimousinen. Ist es ein Widerspruch, dass sich Jorge Mario Bergoglio, der oberste Missionar seiner Kirche, als Papst der Armen und einer „Kirche der Straße“ wie ein Star gern frenetisch umjubeln lässt? Aber er fragt die Bischöfe doch auch: „Sind wir noch eine Kirche, die imstande ist, die Herzen zu erwärmen?“ Er kann es, daran zweifelte am Copacabana-Strand niemand.

Eine „starke Botschaft“ hatte der Vatikan für den Papstbesuch in Rio versprochen. „Dialog, Dialog, Dialog“, das ist im Twitter-Stil der Kern seiner Message. Dialog in der Kirche, in der Familie, in der Gesellschaft. Und die Christen müssen ausschwärmen, um Licht zu schaffen angesichts der „dunklen Seite der Globalisierung“. Dieser Papst will keine „Teilzeit-Christen“, will seine Kirche in Favelas wirken sehen. Brüderlichkeit ist keine Utopie, so verkündet er. Sie sollen es ihm als „Athleten Christi“ nachmachen, als „Werkzeug der Versöhnung“, mit Jesus gegen Gewalt, Korruption, Ungerechtigkeiten und Hunger aufstehen. So sorgte der Hoffnungsträger der arg problembeladenen katholischen Kirche dieser Tage für Aufbruchstimmung am Zuckerhut.