Zeuge: Polizei half Studentin lange nicht, sondern stritt erst über Zuständigkeit. Hauptstadt erhöht Präsenz von Polizistinnen.

Neu Delhi. Nach der Gruppenvergewaltigung einer indischen Studentin werden schwere Vorwürfe gegen die Polizei laut. Der ebenfalls attackierte Freund sagte am Freitag, der schwer verletzten, nackten 23-Jährigen sei fast eine Stunde lang niemand zu Hilfe gekommen. Erst nach 45 Minuten seien Polizisten eingetroffen. Doch obwohl die mehrfach vergewaltige Frau stark blutete, sei zunächst eine Diskussion unter den Polizisten entbrannt, welches Revier für die Tat zuständig sei. Der Freund sagte dem Sender Zee News, er habe auch Passanten vergeblich um Hilfe gebeten.

Die Physiotherapie-Studentin war Mitte Dezember in einem privaten Kleinbus in der Hauptstadt Neu-Delhi von mehreren Männern vergewaltigt, mit einer Eisenstange misshandelt und aus dem fahrenden Fahrzeug geworfen worden. Polizeiangaben zufolge versuchte der Fahrer des Busses anschließend, die Frau zu überfahren. Zwei Wochen nach der Tat war die Frau ihren Verletzungen erlegen. Die Brutalität des Falles hat international für Entsetzen gesorgt und in Indien eine Debatte über schärfere Gesetze für Vergewaltiger ausgelöst. Fünf der sechs Beschuldigten sind des Mordes und der Gruppenvergewaltigung angeklagt.

Indiens Hauptstadt erhöht Präsenz von Polizistinnen

Indiens Hauptstadt Neu Delhi stockt die Zahl der Polizistinnen auf, um Frauen eine Anlaufstelle bei Straftaten zu bieten. Nach einer Anordnung des Innenministeriums muss es künftig in allen 180 Polizeistationen weibliche Diensthabende geben, berichtete die Zeitung „Times of India“ (Freitag). Demnach soll jede Station rund um die Uhr mit mindestens zwei Beamtinnen im Rang einer Unterinspektorin und sieben weiteren Polizistinnen besetzt sein.

Hintergrund der Entscheidung ist die Vergewaltigung der 23-jährigen Studentin durch mehrere Männer im Dezember. Die Tat hatte landesweit Proteste ausgelöst und Forderungen nach mehr Schutz für Frauen laut werden lassen.

Die indische Frauenrechtsorganisation „Jagori“ wertete die Proteste als Zeichen für eine Veränderung der indischen Gesellschaft. „Alleine, dass so viele Menschen darüber sprechen und sich Gedanken machen, bewirkt sehr viel“, sagte Jagori-Mitarbeiterin Kalpana Viswanath am Freitag in Neu Delhi. Es bestünde jedoch weiterhin großer Handlungsbedarf.

Die Rechte der indischen Frauen seien zwar in der Verfassung verankert, in der alltäglichen Praxis sehe es jedoch oft anders aus, so die Frauenrechtlerin. Als Gründe nannte sie „die fehlende Umsetzung der Gesetze, die hohe Korruption in den Gerichten und der Polizei, die dazu führen, dass es keine oder wenig Folgen hat, Frauen zu misshandeln“. Der Fall der Studentin habe den Anstoß für Veränderung gegeben.

Die massive Reaktion der Öffentlichkeit erklärte Viswanath auch damit, dass sich die Nachricht von der Vergewaltigung schnell über moderne Massenmedien verbreitet habe. Dadurch hätten sich insbesondere junge Inder engagiert. „Sie sind überzeugt, dass sie etwas verändern können und sind deshalb auf die Straße gegangen.“

Gegen fünf der mutmaßlichen Vergewaltiger wurde am Donnerstag in Neu Delhi Anklage erhoben. Der Prozess soll am Sonnabend an ein Schnellgericht übertragen werden. Den Beschuldigten droht die Todesstrafe. Kein Anwalt hatte sich bereiterklärt, sie zu verteidigen. Ein sechster Verdächtiger muss sich voraussichtlich vor einem Jugendgericht verantworten.