Amokläufer hinterließ keinen Abschiedsbrief. Vater des Schützen spricht über Tat. Obama reist zur Trauerfeier nach Newtown in Connecticut.

Newtown . Er schoss mehrfach und aus nächster Nähe auf seine Opfer: Einen Tag nach dem Massaker an einer Grundschule in Connecticut sind Einzelheiten der grausamen Tat ans Licht gekommen. Die Gerichtsmedizin erklärte, der Schütze habe Kinder und Lehrer der Grundschule in Newtown mit einem halbautomatischen Gewehr getötet. US-Präsident Barack Obama wollte am Sonntag an einer Gedenkfeier in der Kleinstadt teilnehmen.

Der Schulschütze feuerte gleich mehrere Male auf seine Opfer, darunter 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren. Sie wiesen „verheerende Verletzungen“ auf, sagte der leitender Gerichtsmediziner des US-Bundesstaates, H. Wayne Carver, sichtlich erschüttert in Newtown. „Ich glaube, alle wurden mehr als einmal getroffen.“ Er habe die Leichen von sieben Schülern obduziert. Sie hätten jeweils zwischen drei und elf Schusswunden erlitten. Es sei das Schlimmste, was er bisher in den mehr als 30 Jahren seiner Tätigkeit gesehen habe, sagte Carver.

Die sechs getöteten Erwachsenen waren nach Angaben der Gerichtsmedizin alle Frauen. Bei den 20 getöteten Kindern handelte es sich um acht Jungen und zwölf Mädchen, alle im Alter von sechs und sieben Jahren. Nur eine Frau überlebte ihre Schusswunden. Von ihr erhoffen sich die Behörden weitere Erkenntnisse über den Ablauf der Tat.

US-Medien berichteten unter Berufung auf die Ermittler, dass der 20-jährige Adam Lanza eine Auseinandersetzung mit Schulangestellten gehabt haben soll, bevor er am Freitag erst seine Mutter tötete, in die Schule fuhr, um dort 20 Kinder und sechs Erwachsene zu erschießen, und sich anschließend selbst das Leben nahm.

Hinweise auf ein Motiv

Nach Angaben aus Polizeikreisen wurde bei Lanza kein Abschiedsbrief gefunden. Polizeisprecher Paul Vance betonte aber, dass Ermittler „sehr gute Beweise“ gefunden hätten, die möglicherweise Aufschluss über das Motiv des Täters geben könnten. Unter anderem wurden in der Schule zwei Pistolen, eine Glock und eine Sig Sauer, sowie ein Gewehr vom Typ Bushmaster Kaliber 223 entdeckt. Außerhalb der Schule lag noch eine vierte Waffe. Der Täter wurde noch nicht offiziell identifiziert.

Die Ermittler fanden entgegen ersten Angaben bisher offenbar keine Verbindung zwischen Lanzas Mutter und der Schule. Zunächst hatte es geheißen, sie habe in der Grundschule als Lehrerin gearbeitet. Die Polizei geht davon aus, dass Adam Lanza vor vielen Jahren die Sandy-Hook-Grundschule besuchte. Sie hatte jedoch noch keine Erklärung, warum er am Freitag ausgerechnet dorthin fuhr.

Der Vater des Schützen wandte sich am Sonnabend an die Öffentlichkeit. Peter Lanza erklärte in einer Stellungnahme, die Familie trauere mit all jenen, die von dieser Tragödie betroffen seien. „Worte können nicht ausdrücken, wie traurig wir sind“, erklärte Lanza. Alle Verwandten seien fassungslos und suchten nach Antworten. In New Hampshire erklärten unterdessen die Angehörigen der getöteten Mutter des Täters, sie trauerten mit den Menschen in Newtown und allen Amerikanern. Ein Sheriff in Kingston verlas eine Stellungnahme, in der es hieß, die gesamte Familie sei traumatisiert.

Lehrerin als Heldin beschrieben

Die Behörden veröffentlichten am Sonnabend eine Liste der Todesopfer. Darauf fand sich unter anderen die Direktorin der Schule, die nach Angaben von Mitarbeitern der Stadtverwaltung versuchte, den Schützen den stoppen. Auch die Schulpsychologin wurde getötet. Die 27-jährige Lehrerin Victoria Soto wurde als Heldin beschrieben, weil sie einige der Schüler in einem Badezimmer und in einem Schrank versteckte, wie ihr Cousin dem Fernsehsender ABC sagte. Sie habe sich zwischen den Schützen und die Kinder gestellt.

Lanza litt möglicherweise an einer Persönlichkeitsstörung, in Ermittlungskreisen war vom Asperger-Syndrom, einer leichten Form des Autismus’, die Rede. Experten erklärten jedoch, es gebe keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Syndrom und einem gewalttätigen Verhalten.

Nach Beschreibung eines Lehrers konnte Lanza anscheinend keinen seelischen oder körperlichen Schmerz fühlen. Lanza habe eindeutig Probleme gehabt, sagte Richard Novia, der bis 2008 für die Sicherheit in dem Schulbezirk von Newtown verantwortlich war. „Wenn der Junge sich verbrannt hätte, hätte er das nicht bemerkt oder gespürt“, sagte Novia. Novia sprach von Episoden, während derer sich Lanza plötzlich vollständig in sich zurückzog. Er beschrieb den Jungen als klug, aber verängstigt und nervös, niemand sei ihm wirklich nahe gekommen.

Hollywood-Premieren abgesagt

Hollywood reagierte auf das Massaker: Der Fernsehsender Fox wollte neue Episoden seiner Erfolgsserien am Sonntag nicht zeigen, die Premieren der Filme „Jack Reacher“ und „Parental Guidance“ wurden verschoben. Fox teilte mit, wegen des möglicherweise heiklen Inhalts würden die neuesten Folgen von „Family Guy“ und „American Dad“ vorerst nicht gesendet.

Der Schauspieler Jamie Foxx erklärte, Hollywood müsse einen Teil der Verantwortung für Gewalttaten wie die in Newtown übernehmen. Schauspieler könnten die Tatsache nicht ignorieren, dass Gewalt in Filmen Menschen beeinflussen könnte, sagte Foxx in einem Interview. Er warb für seinen neuen Film „Django Unchained“, der von vielen Gewaltszenen geprägt ist.

Regisseur Quentin Tarantino sagte dagegen, er wolle seine Filme nicht jedes Mal verteidigen müssen, wenn es zu einem Amoklauf komme. Solche Tragödien passierten, erklärte er. Verantwortlich seien die Täter.