Die Suche nach der Infektionsquelle in der Berliner Charité läuft auf Hochtouren. Liegt die Ursache bei einem Pflegemittel für Mütter?

Berlin. Nach dem Tod eines Säuglings durch eine Keiminfektion in der Berliner Charité wird intensiv nach der Infektionsquelle gesucht. Bislang ergaben Kontrollen auf den betreffenden Frühchenstationen in der Charité und im Deutschen Herzzentrum, dass die Hygienevorschriften eingehalten wurden, wie der Leiter des Ausbruchteams, Karl Schenkel, am Dienstag sagte. Zugleich wird die Forderung nach mehr Personal auf sensiblen Stationen immer lauter.

Darüber hinaus sollen sich nach Klinikangaben bereits vor Monaten zwei Babys mit Serratien in der Charité angesteckt haben. Ob es einen Zusammenhang zu den jüngsten Vorfällen gibt, ist noch unklar. Außer dem verstorbenen Säugling hatten sich sieben weitere mit den Darmbakterien infiziert. Bei allen sind der Klinik zufolge die Infektionszeichen rückläufig. Keines der Kinder schwebe in Lebensgefahr.

Am vergangenen Samstag war bekannt geworden, dass Anfang Oktober ein Neugeborenes an den Folgen einer Infektion mit Serratienkeimen gestorben ist. Das Kind war nach einer Behandlung am Campus Virchow-Klinikum der Charité im Deutschen Herzzentrum in Berlin operiert worden. Danach starb es der Charité zufolge am 5. Oktober.

Erste Serratien-Infektionen im Juli

Zu Serratien-Infektionen war es bereits im Juli gekommen. Eine Mutter habe Anfang Juli die Darmkeimerreger ins Krankenhaus mitgebracht und ihr Neugeborenes habe sich angesteckt, sagte die Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité, Petra Gastmeier. „Während der Geburt ist es zu einer Übertragung auf das Kind gekommen.“

Danach habe sich im Krankenhaus ein weiteres Baby mit Serratien infiziert. „Das war eindeutig eine Krankenhausinfektion“, sagte Gastmeier. Die beiden Kinder seien daraufhin isoliert worden. Bis Anfang Oktober seien keine weiteren Fälle mehr aufgetreten.

Bei dem jüngsten Fall hatte sich im Herzzentrum in der Zeit, in der der Säugling aus der Berliner Charité behandelt wurde, ein weiteres Baby mit Darmkeimen infiziert. Es lag nach Angaben des Direktors der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie am Herzzentrum, Felix Berger, direkt neben dem infizierten Baby der Charité. Der Säugling sei inzwischen mit Antibiotika erfolgreich behandelt worden. „Wir erwarten, dass wir ihn morgen nach Hause entlassen können“, sagte Berger am Dienstag.

Noch keine Hinweise auf Ursache für Bakterien-Häufung

Zur Ursache des Auftretens von Serratien in der Charité gibt es nach Angaben des Gesundheitsamtes des Bezirkes Mitte noch keine konkreten Anhaltspunkte. Es seien bereits Hunderte Proben genommen worden, sagte Schenkel. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg und das Robert-Koch-Institut (RKI) unterstützten die Charité bei der Suche nach der Infektionsquelle.

In die Untersuchung der Umgebung der Patienten seien Wickeltische, Inkubatoren und auch Pflegemittel einbezogen worden. Bislang gebe es aber noch keine konkreten Hinweise. Allerdings bräuchten die Keime auch eine gewisse Zeit, um sich zu entwickeln, so dass nicht sogleich mit Ergebnissen zu rechnen sei. Zudem würden die Desinfektionsprozesse auf den betroffenen Stationen aktiv überwacht. Studien hätten den Erfolg eines solchen Vorgehens bereits mehrfach belegt, sagte Schenkel. Dennoch schloss er nicht aus, dass die Infektionsquelle unter Umständen nie gefunden werde.

Der Direktor der Klinik für Neonatologie, Christoph Bührer, hält die Übertragung der Darmbakterien durch eine Mutter an andere Neugeborene in den Frühchenstationen für unwahrscheinlich. Die Übertragung geschehe über Hände, und Mütter seien auf ihre eigenen Kinder konzentriert, präzisierte Bührer. „Eine Mutter fasst immer nur ihr eigenes Kind an und nie ein anderes.“ Zudem würden die Eltern im Klinikum intensiv über Desinfektionsregeln geschult.

Eine Stuhluntersuchung der Krankenhausmitarbeiter, die auf den betroffenen Neugeborenenstationen arbeiten, ist bislang nicht erfolgt, wie Gastmeier sagte. Es seien keine Abstriche genommen worden, allerdings seien die Hände untersucht worden. „Wir haben bei den meisten Proben keine Erreger gefunden“, sagte sie. Wurden Erreger entdeckt, habe es sich nicht um die betreffenden Darmbakterien gehandelt.

Mehr Fachärzte für Hygiene notwendig

Für die Einhaltung der Hygienevorschriften auf den betroffenen Stationen spreche unter anderem der hohe Verbrauch an Händedesinfektionsmitteln, betonte Schenkel. Um die Gefahr von Infektionen zu mindern, brauche es vor allem mehr Personal bei der Betreuung von anfälligen Frühchen und in der Intensivmedizin.

In Deutschland gebe es etwa 100 Fachärzte für Hygiene, gebraucht würden aber mindestens 700 bis 800, betonte auch der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, in einem Phoenix-Interview. Es sei schwer einsehbar, „dass wir Milliarden an Überschüssen in den Gesetzlichen Krankenkassen und beim Gesundheitsfonds haben, während wir dringend ein Investitionsprogramm für die Verbesserung der Infektionsprophylaxe bräuchten.“

Serratien gehören nach Angaben der Charité bei vielen Menschen zur Darmflora und sind mit Antibiotika gut behandelbar. Bei Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr und bei extrem unreifen Frühgeborenen oder schwerstkranken Neugeborenen könnten sie allerdings Infektionen verursachen.