Der Siegerschein wurde in einem Ort in der Toskana abgegeben. Nun wird gerätselt, wer der Glückspilz ist.

Bagnone. Bagnone ist klein, sehr klein. Im Grunde sogar so klein, dass es selbst langjährigen Toskana-Touristen kein Begriff ist. In einem Tal gelegen, umgeben von Wäldern; schlummert das Dorf vor sich hin. Am vergangenen Sonnabend wurde es allerdings lautstark geweckt. Von knallenden Sektkorken, feiernden Menschen und Journalisten, die das nun berühmteste Dorf Italiens besichtigen wollten.

Denn in Bagnone wurde ein Lottoschein abgegeben, genauer der Lottoschein, der mit sechs richtig angekreuzten Zahlen sagenhafte 147 807 299,08 Euro gewonnen hat. Das ist der größte Jackpot Europas und der zweitgrößte, der je auf der Welt ausgespielt wurde.

Die 2000 Mitglieder zählende Dorfgemeinschaft versammelte sich sofort (fast) vollzählig vor der Bar Biffi, in der der Schein abgegeben worden war. Die Besitzerin der Bar, Annamaria Ciampini, erinnert sich noch genau, wie es war, als sie von dem großen Gewinn im kleinen Dorf erfuhr. "Wir haben uns das Fußballspiel von Mailand angesehen, dann ist jemand hereingekommen und hat gesagt, dass wir das SuperEnalotto gewonnen haben", erzählt sie glücklich. "Wir haben umgeschaltet und den Namen unseres Dorfes gehört." Seitdem steppt auf der Piazza des mittelalterlichen Städtchens der Bär. Von überall her kommen die Leute, um sich die Bar anzusehen, die einen Menschen zum Millionär machte. Biffi ist auch das Mutterschiff der Gerüchteküchen. Denn mit dem Ende des Lottofiebers begann die Jagd auf den Gewinner der Millionen.

In Italien bleiben die Glückspilze anonym, lediglich der Herkunftsort des Gewinnerscheins wird verkündet. Darum haben sich die Einwohner von Bagnone nun selbst auf die Suche gemacht. Ein Rentner sagte während der Freudenfeier: "Wir hoffen, dass es nicht der Priester oder ein Albaner ist." Einige Hauptverdächtige wurden inzwischen eingekreist. Erster Mann im Visier ist Ugo Verni, 47 Jahre alt und von Beruf wahlweise Maurer, Forstarbeiter oder beides. Ihm soll es finanziell so schlecht gehen, dass ihm der Strom abgestellt wurde. Damit bietet er sich als Verlierer, den nun endlich das große Glück geküsst hat, geradezu an. Die Zeitung "La Stampa" berichtet: "Er ist auf dem Platz vor dem Kiosk erschienen, mit einem zusammengerollten Lottoschein hinter dem Ohr, und soll 'Ich habe gewonnen' gerufen haben." Doch Verni dementiert: "Ich bin es nicht. Ich bin herumgelaufen und habe aus Spaß gesagt, dass ich den Gewinnschein habe." Der Bürgermeister von Bagnone, Gianfranco Lazzeroni, ist ebenfalls unwissend, wer denn nun der glückliche Gewinner ist. Er habe jedem seiner Bürger in die Augen gesehen, habe aber nicht herausfinden können, wer es ist. Ansonsten ist Lazzeroni aber völlig begeistert vom Geldsegen. Zwar hat es ihn nicht selbst getroffen, aber er hofft trotzdem auf einen Teil des Gewinns. "Die Summe würde 70 Jahre lang unseren Gemeindehaushalt abdecken", erklärte er Journalisten. "Hoffen wir, dass der Gewinner Unternehmer wird und hier investiert." Ganz konkret hätte Lazzeroni gern ein neues Mehrzweckhaus. Andere Bewohner haben auch schon einen Wunschzettel geschrieben. So würde sich der Priester über ein Gemeindehaus freuen sowie über die Finanzierung einer Prozession zur Feier des Ortsheiligen. Die Einheimischen würden sich sowohl über den Bau einer Schule als auch die Errichtung eines Hotels freuen. Dafür müsste aber der potenzielle Geldgeber aufgespürt werden. Letizia Leviti, Reporterin aus Bagnone, ist sich sicher: "Wenn es jemand von hier war, dann finden wir das bestimmt heraus." Und tatsächlich haben sich schon einige verdächtig gemacht. Laut der Zeitung "Repubblica" erschien ein Bürger nicht zur Feier. Das sei "ein Zeichen", dass der 47 Jahre alte Angestellte der glückliche Gewinner sei. Der Nachrichtendienst Ansa meldete hingegen den mysteriösen A. B., ebenfalls 47 Jahre alt, als Anwärter auf die Millionen. Der Landwirt sei am Sonntagmorgen "auffällig unbeteiligt" gewesen. Er fuhr tatsächlich mit seinem Traktor durchs Dorf und grüßte die Bewohner. So gelassen kann man in Bagnone im Moment anscheinend nur mit 150 Millionen Euro auf dem Bankkonto sein.

Mit der Ziehung endete eine seit Januar andauernde Glücksspiel-Hysterie, die am Ende ganz Europa erfasst hatte. In Italien wird heute aber beraten, ob der Jackpot künftig auf 100 Millionen begrenzt werden soll.