Im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter sagte die Mutter des Opfers aus: “Unser Leben ist zerstört – ganz einfach.“

Bielefeld. Es ist ein unvorstellbares Verbrechen: Ein Autofahrer hat am Donnerstag vor dem Landgericht Bielefeld zugegeben, eine 13 Jahre alte Radlerin angefahren und vergewaltigt zu haben. Der Vater von fünf Kindern wies jedoch über seinen Verteidiger den Vorwurf der Anklage zurück, dass er den Unfall absichtlich verursacht habe. „Er steht selber fassungslos vor der Tat“, sagte der Rechtsanwalt des angeklagten Hilfsarbeiters. Direkt nach der Tat am Ostermontag hatte der Mann bei der Polizei zu Protokoll gegeben, er habe die Kollision in voller Absicht herbeigeführt. Er habe seit längerer Zeit ein junges Mädchen vergewaltigen wollen.

Bei dem Zusammenstoß auf einem Feldweg nahe dem ostwestfälischen Dorf Hille hatte die 13-Jährige unter anderem einen Kieferbruch und eine Gehirnerschütterung erlitten. Laut Anklage hatte der 31-Jährige damals dem verletzten Kind gesagt, er werde es heimfahren. Doch an einem abgelegenen Ort soll er über das Mädchen hergefallen sein. Das Mädchen hatte sich anschließend alleine nach Hause geschleppt. „Das ist ein widerwärtiger Fall“, sagte der Sprecher der Bielefelder Staatsanwaltschaft, Reinhard Baumgart, am Rande des Verfahrens. Ein solches Verbrechen sei ihm in seiner langen Laufbahn noch nie vorgekommen.

Der Anwalt sagte im Namen des mutmaßlichen Kinderschänders: „Er war sich der Verletzungen und der Hilflosigkeit und des jugendlichen Alters bewusst.“ Bei einem psychiatrischen Gutachter hatte der Mann später behauptet, das Mädchen habe kurz vor dem Zusammenstoß „einen Schlenker gemacht“, er habe nicht mehr ausweichen können. Nach der Tat hatte die Schülerin zwei Wochen im Krankenhaus gelegen. „Sie war blutüberströmt und total verwirrt“, erinnerte sich ihre Mutter. Ihrer Tochter gehe es nach wie vor „sehr schlecht“, sagte die 42- Jährige vor Gericht. „Sie fährt nicht mehr allein Fahrrad, sie geht nirgendwo mehr allein hin. Und ist sehr verschlossen“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.

„Unserer Familie geht es sehr schlecht damit. Unser Leben ist zerstört – ganz einfach“, fügte sie hinzu. Sie könne sich nicht vorstellen, dass ihr Kind mit unsicherem Fahren den Unfall ausgelöst habe. „Sie ist eine gute Radfahrerin." Zudem habe ihre Tochter beteuert, sie sei damals am Straßenrand geradelt. Das Opfer, das nach Angaben von Richter Reinhard Kollmeyer einen „sehr verschüchterten Eindruck“ macht, sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Der Angeklagte musste auf Gerichtsbeschluss außer Sichtweite der Schülerin auf eine Zuschauerbank ausweichen, um die heute 14-Jährige nicht mit seinem Anblick zu belasten. Der große, stämmige Mann mit kurzen Haarstoppeln und Drei-Tage-Bart sagte im Prozess kaum etwas, ließ seinen Anwalt reden. Er nahm die Anschuldigungen völlig regungslos entgegen und blickte später meist zu Boden.

Der Anklagevorwurf, der Unfall sei geplant gewesen, stützt sich auf die ersten polizeilichen Vernehmungen des Hilfsarbeiters nach der Tat. Dazu sagte der Verteidiger, der 31-Jährige sei „der Vernehmungssituation nicht gewachsen gewesen“. Dem Familienvater aus Lübbecke drohen bis zu 15 Jahre Haft. Ihm wird besonders schwere Vergewaltigung, besonders schwerer Kindesmissbrauch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Auch gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr ist ein Anklagepunkt. Der Mann ist wegen Trunkenheit am Steuer vorbestraft. Er behauptet, auch vor der Vergewaltigung Alkohol getrunken zu haben. Das Urteil wird am 24. August erwartet.

Anfang der Woche war bekanntgeworden, dass sich der Angeklagte mit seiner langjährigen Lebensgefährtin aus dem Gefängnis heraus verlobt hat. Wie erwartet, machte sie am Donnerstag von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch: Nachfragen des Vorsitzenden Richters, ob sie die Verlobung aus taktischen Gründen eingegangen sei, verneinte sie mehrfach. Die Staatsanwaltschaft hatte allerdings schon im Vorfeld den Aussagen der Frau keine zentrale Bedeutung beigemessen.