Zwar wird jede dritte geschieden, im Schnitt aber erst nach 14 Jahren und zwei Monaten. Ein Psychologe verrät, wie man den Bruch verhindert.

Wiesbaden. Die gute Nachricht zuerst: Entgegen der allgemeinen Erwartung halten Ehen in Deutschland länger als noch vor zehn Jahren. Nimmt man die geschiedenen Ehen, haben sie 2010 im Schnitt genau 14 Jahre und zwei Monate gehalten. Das veröffentlichte das Statistische Bundesamt jetzt in einer neuen Studie. Vor knapp 20 Jahren sah das Paar-Verhalten noch ganz anders aus, denn 1992 hielten es Eheleute bei Weitem noch nicht so lange zusammen aus: Elf Jahre und sechs Monate ehelicher Zweisamkeit lagen damals hinter den Paaren, bevor sie zum Richter gingen.

Paare warten immer länger mit dem Jawort

Aber nicht nur die Dauer der Ehe ist gestiegen, sondern auch das Alter der Heiratswilligen. Sie geben sich immer später das Jawort: Frauen treten im Schnitt mit 34 Jahren vor den Standesbeamten, Männer sind sogar 37,2 Jahre alt. 1991 waren die Frauen 28,9, die Männer 31,8 Jahre alt. Drum prüfe, wer sich ewig bindet - diese Weisheit nehmen sich immer mehr Menschen zu Herzen: "Je älter Menschen werden, desto besser kennen sie sich selbst", sagt der Hamburger Psychologe Michael Thiel. "Sie haben schon Partnerschaften hinter sich und wissen, was sie von einer Beziehung erwarten."

Weil sich Paare später das Jawort geben und zugleich länger verheiratet bleiben, steigt auch das Alter der Geschiedenen seit Jahren. So waren die Männer im Jahr 2010 bei ihrer Scheidung im Durchschnitt 44,7 Jahre alt, die Frauen 41,8 Jahre - für beide Geschlechter ein Rekordalter. Noch 1992 waren Frauen bei ihrer Scheidung erst 36,1 Jahre alt und ihre Ex-Männer 39,0 Jahre. 2010 wurde jede dritte der bestehenden Ehen aufgelöst. Die meisten Beziehungen scheiterten im klischeebehafteten "verflixten siebten Jahr". Danach nimmt die Kurve rapide ab, tendiert nach 40 Ehejahren gegen null.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als 187 000 Ehen in Deutschland rechtlich getrennt. Das waren zwar 14 500 weniger als vor fünf Jahren, das habe am Scheidungsverhalten aber nichts geändert, sagt Martin Conrad vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. Der Grund: Es gibt generell immer weniger Ehen. 2000 wurden zum Beispiel noch 418 550 Ehen geschlossen. 2010 waren es nur noch 382 074.

Männer nehmen nach der Scheidung zu

Die meisten Scheidungen reichen nach wie vor die Frauen ein - und zwar fast 53 Prozent. "Frauen wollen sich weiterentwickeln, sie mögen keinen Stillstand in ihrer Beziehung", sagt Psychologe Michael Thiel. "Männer können sich heute nicht mehr auf ihrer Versorgerrolle ausruhen. Sie müssen die emotionalen Bedürfnisse ihrer Partnerin befriedigen, anstatt lediglich eine materielle Stütze zu sein." Die meisten Frauen seien "Beziehungsarbeiter" und würden viel Zeit für die Rettung einer Partnerschaft investieren, bevor sie den Schritt zu einer Trennung gingen.

"Balance ist der Schlüssel zu einer glücklichen Beziehung", sagt Thiel "das Verhältnis von Nähe und Distanz muss stimmen." Dabei sei es wichtig, sich als Partner eigene Freunde und Hobbys zu bewahren. "Eine Beziehung bedeutet nicht Selbstaufgabe. Ein Eigenleben ist genauso wichtig wie die gemeinsamen Interessen", weiß der Paar-Experte. Allerdings sollten keine grundsätzlichen Geheimnisse zwischen den Partnern bestehen. "Man muss kein offenes Buch für den Partner sein, aber substanzielle Geheimnisse wie Krankheit oder Geldnot sind gefährlich für eine Partnerschaft." Damit es erst gar nicht so weit kommt, empfiehlt der Psychologe, konfliktfreudig zu bleiben: "Probleme müssen angesprochen werden - ausnahmslos. Das geht am besten, wenn man im Kopf behält, dass man sich gerade über das Verhalten des Partners ärgert, nicht über den Partner selbst."

Dass nach sieben gemeinsamen Jahren der Alltag die anfänglichen Schmetterlinge ersetzt hat, ist normal. Trotzdem sollte man offen für Veränderungen bleiben: "Der Spruch ,Ich kenne meinen Partner in- und auswendig' ist Beziehungsgift. Auch nach Jahren sollte man offen bleiben, Neues am Partner zu entdecken", sagt Thiel. Auch gemeinsame Zukunftsvisionen stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ob diese realistisch sind oder nicht, spiele dabei keine Rolle.