Erst Jörg Kachelmann, dann Claudia D. Beide haben in verschiedenen Interviews ihr Schweigen gebrochen und wettern gegen die deutsche Justiz.

Hamburg. Die lange Schlacht vor Gericht ist vorbei, jetzt droht eine Schlammschlacht in der Presse. Wettermoderator Jörg Kachelmann ist wieder frei, doch ruhig wird es für den 55-Jährigen deswegen noch lange nicht. Knapp zwei Wochen nach der Urteilsverkündung hat sich Kachelmanns Ex-Geliebte Claudia D. mit scharfer Kritik an der Justiz erstmals öffentlich zu Wort gemeldet. In einem Interview mit der Illustrierten "Bunte" bezog die 38-Jährige Stellung: "Ich würde jeder Frau abraten, ihren Peiniger anzuzeigen, wenn dieser reich ist und sich mit Geld freikaufen kann", sagte sie. In dem Gespräch wiederholt sie auch ihren Vorwurf, Kachelmann habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. "Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe. Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin!"

Gegen das Urteil hat sie - wie auch die Staatsanwaltschaft - Revision eingelegt. "Ich bin mit dem Freispruch nicht einverstanden. Deshalb möchte ich die ausführliche Begründung des Gerichts lesen." Über den Freispruch sei sie "völlig fassungslos" gewesen. "Die Verteidigung durfte ungehindert Rufmord begehen und Verleumdungen über mich in die Welt setzen." Vor dem Plädoyer der Verteidigung habe sie Beruhigungstabletten genommen. "Ich wusste, dass sie mich fertigmachen würden." Das Landgericht Mannheim hatte den Moderator nach 43 Verhandlungstagen aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

"Solange wir in einem Täterstaat leben, ist es besser, als Frau den Mund zu halten", sagte Claudia D., die in dem Prozess als Nebenklägerin auftrat. Bislang hatte sie die Öffentlichkeit gescheut und war auch auf Fotos nur gepixelt zu sehen. In der "Bunten" lässt sie sich nun ungepixelt ablichten und verlässt damit die Anonymität. Im Interview bezeichnet Claudia D. ihren ehemaligen Geliebten nur als JK. Sie rechne damit, "dass JK und seine Anwälte alles tun werden, um mich weiter zu quälen und zu terrorisieren. Bis sie mich irgendwann komplett vernichtet und besiegt haben." Bis heute habe sie immer wieder Selbstmordgedanken, sagte sie der Zeitschrift. Richtig bereut habe sie die Anzeige, "als nach JKs Festnahme die Medienhölle losging und diese Hexenjagd im Internet". Die Hölle der Boulevardmedien dürfte Claudia D. nach diesem Interview noch besser kennenlernen, in Zeitungen und Onlinemedien schlug er bereist hohe Wellen.

Eine Woche nach dem Urteil hatte auch Jörg Kachelmann selbst ein ausführliches Interview gegeben. In der "Zeit" warf er der Nebenklägerin vor, sie habe sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausgedacht. "Das ist kriminell. Dafür gibt es keine Rechtfertigung", hatte Kachelmann gesagt. Im Gespräch mit der „Weltwoche“ wiederholt Kachelmann seine Drohung, gegen jeden vorzugehen, der behauptet, er sei gewalttätig gewesen. Und der Ex-Geliebten prophezeit er: „Früher oder später werden sich die Gerichte mit ihr befassen.“

Vor allem aber wettert der Schweizer gegen die deutsche "Gaga-Justiz" beziehungsweise die Mannheimer Strafverfolger: Die Staatsanwälte seien eine "Gefahr für den Rechtsstaat" und "durchgeknallt", die Justiz "pervertiert", sagt Kachelmann. "Ich wusste, dass das Gericht alles unternehmen würde, um mir eine Straftat anzuhängen, die ich nicht begangen hatte."

Es dürfte nicht das letzte Wort in der Schlammschlacht gewesen sein. Eines ist aber bereits klar: Der Prozess war für Jörg Kachelmann teuer, aber auch für den Staat. Obwohl bei einem Freispruch der Staat die Kosten des Verfahrens trägt und er auch die Auslagen des Freigesprochenen erstatten muss, wird nach Einschätzung von Juristen Kachelmann selbst die höchste Summe zu tragen haben. „Die Staatskasse übernimmt nur die gesetzliche Vergütung“, erklärte Rechtsanwalt Norbert Schneider, der auf Gebührenrecht spezialisiert ist. „Sie können sicher sein, dass Kachelmanns Anwälte deutlich mehr vereinbart haben.“

Nach Einschätzung von Schneider könnte das Gerichtsverfahren den Staat insgesamt mehr als 200.000 Euro kosten. Darunter fielen die Auslagen des Gerichts, insbesondere für Sachverständige und Zeugen sowie die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen, insbesondere dessen Kosten für den Verteidiger und gegebenenfalls auch dessen Sachverständige.

Der Fall Kachelmann bleibt also nach wie vor ein Thema, dass für unendlich Gesprächsstoff sorgt. Vor allem, da die Beteiligten ihr Schweigen gebrochen haben. Kachelmann hat auf Angriff geschaltet. Claudia D. hat gekontert. Wann folgt der nächste Schlag? Der Kampf um die Deutungshoheit ist in vollem Gange. (dpa/abendblatt.de)