Unter Berufung auf “ranghohe Sicherheitskreise“ berichtet die “Bild“-Zeitung, dass ein Mitglied eines stadtbekannten Motorradclubs sich schützend vor das zweite Opfer gestellt habe.

Berlin. Bei dem brutalen Überfall im Berliner U-Banhof Lichtenberg soll ein Rocker das Zusammenschlagen eines weiteren Mannes verhindert haben. Das berichtet die „Bild“-Zeitung (Freitag) unter Berufung auf „ranghohe Sicherheitskreise“. Demnach soll das Mitglied eines stadtbekannten Motorradclubs vor den Tätern seine szenetypische Lederkutte geöffnet und ihnen dabei eine Waffe gezeigt haben. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, wollte dies auf Anfrage nicht bestätigten. Bei dem Überfall am vergangenen Freitagabend wurde ein 30 Jahre alter Handwerker ins Koma geprügelt. Sein Kollege konnte fliehen. Steltner sagte, es werde weiterhin nach einem Unbekannten gesucht, der ihn gerettet haben soll.„Die Jugendlichen waren durch dessen Auftreten wohl beeindruckt und haben daraufhin die Flucht ergriffen“, sagte Steltner der Nachrichtenagentur dpa. Laut „Bild“-Zeitung soll der Mann auf die Vier „furchteinflößend“ gewirkt haben.

Der Tathergang

Der junge Mann in der dunklen Jacke rennt auf sein Opfer zu, reißt das rechte Bein hoch und springt den anderen mit voller Wucht an. Der 30-jährige Handwerker, von Faustschlägen und Tritten schon verletzt, bricht zusammen. Im Vorbeigehen nimmt der Angreifer dem Schwerverletzten das Handy ab. Mit dieser Szene endet eine 26 Sekunden lange Videosequenz, die die Berliner Polizei aus Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras vom Freitagabend zusammenschnitt. Gefilmt wurde eine Verfolgungsjagd durch den U-Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Die Brutalität der Angreifer hat einen der beiden überfallenen Männer ins Koma befördert.

Die vier Täter sind Jugendliche aus Berlin. Einer von ihnen ist erst 14 Jahre alt, die anderen sind 17. Die Polizei nahm alle am Dienstag fest. Den ersten fassten die Fahnder von der Mordkommission in seiner Schule in Lichtenberg im Osten Berlins. Viele Fragen zu der Tat sind noch offen. Auf den Filmen sieht man, wie die Jugendlichen ihr Opfer im Zwischengeschoss des Bahnhofs angreifen und im Vorbeigehen ins Gesicht schlagen. Die nächste Szene spielt eine Etage tiefer: Im Hintergrund des Bildes treten die Angreifer auf den am Boden liegenden Mann ein. In der letzten Szene dann der Kung-Fu-Tritt auf dem Bahnsteig.

Der Gewaltausbruch erinnert an ähnliche Taten vergangener Jahre. Kurz vor Weihnachten 2007 schlagen zwei junge Männer in der Münchner U-Bahn einen Rentner zusammen, weil der sie auffordert, das Rauchverbot zu beachten. Einer der Täter tritt mit Anlauf gegen den Kopf des schon am Boden liegenden Mannes, der einen Schädelbruch erleidet. Zwei Jahre später stirbt der Geschäftsmann Dominik Brunner nach einer Schlägerei mit zwei Jugendlichen auf einem S-Bahnsteig in München. Brunner hatte vier Schüler vor den Gewalttätern beschützt und selber einen der Jugendlichen angegriffen. Diese prügeln auf ihn ein und treten ihm gegen den Kopf. Brunner stirbt an einem Herzfehler.

Die Hintergründe und der genaue Ablauf des Überfalls in Berlin sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Ein Kollege des Malers aus Rostock konnte leicht verletzt entkommen. Mehrere Zeugen beobachteten die Angriffe, reagierten aber nicht und meldeten sich bisher nicht bei der Polizei.

Ähnlich wie nach dem Angriff auf den Rentner, geht es auch um die Frage, ob die ausländischen Wurzeln der Täter eine Rolle spielten. 2007 hatten die beiden Angreifer mit türkischer und griechischer Abstammung ihr Opfer als „deutsches Schwein“ beschimpft. Die Tat löste damals auch eine politische Debatte aus.

Die Berliner Jugendlichen, die aus Ex-Jugoslawien, dem Irak und Kenia stammen, sagten jetzt in ersten Vernehmungen, sie hätten sich von „Sieg Heil“-Rufen der Maler provoziert gefühlt. Der Stadtteil Lichtenberg gilt als eine der Hochburgen von Neonazis in Berlin.

Die Kriminalpolizei und die Staatsanwälte bezeichneten diese Aussage als Schutzbehauptung und „taktische Absprache“. Es sei nicht bekannt, dass die beiden Maler zur rechtsextremen Szene gehörten. Die Männer seien an dem Abend aus einer Kneipe in Lichtenberg gekommen. Die Jugendlichen hätte ohne ersichtlichen Anlass jemanden „abziehen wollen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Es hätte jeden treffen können.“

Die Polizei verwies darauf, dass hauptsächlich Jugendliche, die selber in der Familie geschlagen oder verprügelt werden, gewalttätig werden. Die meisten Täter, aber auch die meisten Opfer derartiger Angriffe seien Jugendliche und junge Männer, sagte die Präventionsbeauftragte der Polizei, Susanne Bauer.

Häufig komme Gewalt in den von Männern dominierten Einwandererfamilien vor. Der Anteil junger Männer mit ausländischen Wurzeln sei bei Gewalttaten aber insgesamt nicht überproportional hoch. Von den Mehrfach- und Wiederholungstäter stellten sie allerdings 70 bis 80 Prozent.

Warum nur einer von mehreren Zeugen die Polizei alarmierte und keiner zur Notrufsäule im Bahnhof lief oder anders um Hilfe rief, ist kaum zu erklären. Auf dem Video sind unbeteiligte Menschen zu sehen, die vorbeigehen. Laut einem Zeitungsbericht soll ein Zeuge dem bereits am Boden liegenden Opfer die Jacke gestohlen haben.