Der Prozess um Jörg Kachelmann wird immer skurriler. Verteidiger Schwenn beantragte, Redaktionen zweier Zeitschriften zu überprüfen.

Mannheim. Der neue Anwalt von Jörg Kachelmann, Verteidiger Johann Schwenn aus Hamburg, teilte auch am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen den ehemaligen Wettermoderator mächtig aus. Staatsanwaltschaft, Gericht, Gutachter, Mdien und Vorgänger Reinhard Birkenstock - alle bekommen ihr Fett weg. Dabei wird es immer absurder: Schwenn beantragte, die Redaktionen der Zeitschriften „Bunte“ und „Focus“ durchsuchen zu lassen. Dabei sollten Schriftstücke und Datenträger sichergestellt werden, die geeignet sein sollen, Kachelmann zu entlasten, sagte der Verteidiger am Mittwoch vor dem Landgericht Mannheim. Einen entsprechenden Antrag stellte der Rechtsanwalt im Prozess gegen den Moderator vor dem Landgericht. Er warf den Blättern vor, sie würden versuchen, das Verfahren zum Nachteil Kachelmanns zu beeinflussen.

Das Gericht entschied zunächst nicht über den Antrag. Die Staatsanwaltschaft wollte noch schriftlich Stellung nehmen. Eine Sprecherin des Medienhauses Burda, zu dem die Magazine gehören, sagte, der Verlag werde sich später zu den Vorwürfen und dem Antrag äußern. Das Nachrichtenmagazin „Focus“ hält Schwenns Durchsuchungsantrag für ein Ablenkungsmanöver. Sprecher Jonas Grashey erklärte: „Die Chefredaktion von „Focus“ sieht in dem Auftritt des Kachelmann-Verteidigers Schwenn ein vordergründiges Ablenkungsmanöver.“ Eng am Wortlaut der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes betonte er: „"Focus“ hält sich an die Aufgabe der Presse, über dieses Verfahren zu berichten und Realitäten aufzuklären.“

„Wenn ein Verlagshaus meint, seine Macht missbrauchen zu müssen, um ein Verfahren zu beeinflussen, dann ist das nicht mehr von der Pressefreiheit gedeckt“, sagte Schwenn in einer Verhandlungspause. Dabei zeigte er sich pessimistisch, was den Ausgang des Verfahrens angeht: „Bisher haben Staatsanwaltschaft und Gericht mir keinen Anlass gegeben, die Verurteilungsgefahr für gemindert zu halten.“ Aber mit Blick auf eine mögliche Revision betonte er, das letzte Wort werde nicht in Mannheim gesprochen.

In seinem Antrag auf Durchsuchung der Redaktionen bezog sich Schwenn auf Kontakte zu ehemaligen Geliebten des Moderators, die sowohl als Zeuginnen vor Gericht aussagten als auch der „Bunten“ Interviews gegeben hatten. Außerdem hatte das Magazin „Focus“ am Montag dieser Woche eine neue angebliche Belastungszeugin präsentiert, die in der Schweiz lebe und nicht vor einem deutschen Gericht aussagen wolle.

Schwenn betonte, dass das Magazin außerordentlich früh von der Zeugin und ihrer Weigerung erfahren habe, in Deutschland auszusagen. Dies, so Schwenn in seinem Antrag auf Durchsuchung, „nötigt zu dem Schluss, dass es sich (...) um eine von Redaktionsverantwortlichen der Burda Verlagsgruppe geführte und bezahlte Person handelt“. Schwenn beschuldigte die Magazine, sie hätten Zeuginnen dazu veranlasst, belastende Angaben über ihre Beziehung zu Kachelmann zu machen. So habe eine Zeugin nach der „Einwirkung“ zweier Redakteure „ihre früheren Angaben gegenüber der Polizei dahin ergänzt (...), sie habe zu dem Angeklagten vor einem Verkehr in einem Hotel „Nein, ich will nicht“ gesagt“.

Einer Reporterin der Zeitschrift „Bunte“ warf Schwenn vor, sie habe versucht, die Aussage einer Zeugin vor Gericht zu beeinflussen. Dies zeige, „dass die Redaktionsverantwortlichen nicht nur das Ziel möglichst wirksamer und für den Verlag einträglicher übler Nachrede verfolgen, sondern das Verfahren der Kammer zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen wollen“, heißt es in dem Beweisantrag.

Das Gericht begann anschließend mit der Vernehmung des Therapeuten des mutmaßlichen Opfers, dem Heidelberger Professor Günter Seidler. Die ehemalige Geliebte beschuldigt Kachelmann, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Der 52-Jährige bestreitet das. Vor allem die These des Therapeuten Seidler, dass Erinnerungslücken des mutmaßlichen Opfers auf eine Traumatisierung zurückzuführen sein könnten, ist zwischen Anklage und Verteidigung umstritten.

Deutlich hörbar brach Schwenn in Gelächter aus, als ein Anwalt Seidlers den Therapeuten als „weltweit anerkannten Traumatologen“ bezeichnete. Auch einen weiteren Gutachter griff Schwenn an: Er bezweifelte den Sachverstand des noch von seinem Vorgänger Birkenstock benannten Psychologen und Hirnforschers Hans Markowitsch.

"Bunte“: Berichten neutral über Kachelmann

Nach dem Magazin „Focus“ hat auch die Illustrierte „Bunte“ die Medienschelte des neuen Kachelmann-Verteidigers zurückgewiesen. Johann Schwenn hatte im Vergewaltigungsprozess gegen den 52-Jährigen am Mittwoch beantragt, die Redaktionen der beiden Zeitschriften durchsuchen zu lassen. „Nur weil einem Anwalt die Berichterstattung über seinen Mandanten nicht gefällt, kann er nicht gleich eine Redaktion stürmen lassen“, sagte „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel dazu. Sie versicherte: „„Bunte“ hält sich selbstverständlich an die journalistische Sorgfaltspflicht und wird weiter ausgewogen und neutral über den Fall Kachelmann berichten.“