Die Mutter der toten Lea ließ erklären, sie habe den schlechten Gesundheitszustand ihrer Tochter aus Gleichgültigkeit verharmlost.

Weiden. Der kleinen Lea ging es immer schlechter, doch ihre Mutter holte keinen Arzt. Die Zweijährige starb im März an einer Lungenentzündung, abgemagert und völlig entkräftet. Zum Beginn des Prozesses um den Tod des Mädchens aus Tirschenreuth in der Oberpfalz räumte die 22 Jahre alte Mutter ihr Fehlverhalten weitgehend ein. Ihr Motiv: Gleichgültigkeit. Sie habe den Gesundgesundheitszustand ihrer Tochter verharmlost, lässt Birgit W. über ihre Anwältin am Montag vor dem Landgericht Weiden erklären.

Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl wirft ihr dagegen „böswillige Vernachlässigung“ vor . Bei der Kleinen habe sich nach einer nicht erkannten Hirnhautentzündung ein Wasserkopf gebildet, schildert Heindl Leas Leidensgeschichte. Wegen des erhöhten Hirndrucks wird das Mädchen apathisch, will kaum mehr essen, trinken und laufen. Lea wiegt zum Schluss nur noch 8,2 Kilogramm. Vor ihrem Tod muss Lea unheimliche Schmerzen gehabt haben. Im März bekommt das ohnehin geschwächte Kind eine beidseitige Mittelohrentzündung und schließlich eine tödliche Lungenentzündung. Am 27. März starb Lea.

Hinter einem rot-schwarz-karierten Tuch versteckt Birgit W. Kopf und Gesicht vor den vielen Fotografen im Gerichtssaal. Den Antrag ihrer Verteidigerin auf eine Verständigung auf ein Urteil ohne öffentliche Verhandlung lehnt das Gericht ab: „Dieser Fall eignet sich nicht für einen Deal“, sagt der Vorsitzende Richter, Landgerichtspräsident Bernhard Ring. Birgit W. bedaure den Tod ihrer Tochter zutiefst, beteuert Anwältin Andrea Schnetzer vor der Jugendkammer. „Sie wollte nie, dass sie stirbt.“ Ihre Mandantin sei sich aber bewusst, dass sie ihre Tochter nicht ausreichend versorgt und ihre Pflichten vernachlässigt habe.

Die vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen ließ Birgit W. bei ihre Tochter schon lange nicht mehr vornehmen. Bei ihrem vier Jahre alten Sohn Felix fälschte sie laut Anklage die Unterschrift des Arztes im Untersuchungsheft, damit er in den Kindergarten gehen konnte. Deshalb wirft ihr die Staatsanwaltschaft neben der Misshandlung von Schutzbefohlenen, Verletzung der Fürsorgepflicht und gefährlicher Körperverletzung auch Urkundenfälschung vor.

Als kleines Kind wurde Birgit W. von ihrem alkoholabhängigen Vater häufig geschlagen und angebrüllt. „Sie hatte panische Angst vor ihrem Vater“, sagt ihre Verteidigerin. Als sie sechs Wochen alt war, ließ sie ihr Vater versehentlich fallen, sie erlitt dabei einen Schädelbruch. Mit 16 lernte sie ihren späteren Mann kennen, der sie im August 2009 verließ. Felix und Lea seien Wunschkinder gewesen, versichert die Anwältin.

Nach der Trennung verliert Birgit W. immer mehr den Kontakt zu ihrer Tochter, wie ihre Verteidigerin berichtet. Um ihren Mann zurückzuholen, erfindet sie Krankheiten ihrer Tochter, wie einen Gendefekt oder ein Muskelabbausyndrom. Mitte Februar 2010 wird Lea immer ruhiger, verlässt kaum mehr ihr Kinderzimmer. Wenig später muss der neue Freund der Angeklagten eine Haftstrafe antreten. „Meine Mandantin kam mit der Situation nicht mehr zurecht und hat sich selbst vernachlässigt“, sagt die Anwältin.

Auch als sich der Zustand ihrer Tochter zusehends verschlechtert, ruft Birgit W. keinen Arzt. Ihre Gefühle für Lea seien nicht mehr so dagewesen wie früher, hatte sie den Ermittlern bereits kurz nach Leas Tod erklärt. „Lea habe weder geweint noch über Schmerzen geklagt“, zitiert ein Kripo-Beamter ihre damalige Aussage. Die letzten drei Tage vor Leas Tod habe sie nicht einmal mehr ihre Windeln gewechselt.

Für den Prozess sind drei Verhandlungstage angesetzt. 19 Zeugen und zwei Sachverständige sind geladen. Das Urteil soll am 27. September verkündet werden.