Bohrinsel vor Schottland evakuiert - Umweltschützer fürchten Katastrophe - Überwachungsflüge in der Region fortgesetzt

London. Auf der leckgeschlagenen Förderplattform in der Nordsee wird noch immer Erdgas abgefackelt. Angesichts der gegenwärtigen Wetterverhältnisse bestehe jedoch keine Explosionsgefahr, teilte am Mittwoch der französische Energiekonzern Total mit, der die Plattform betreibt. Dennoch würden derzeit Pläne entwickelt, wie die Flamme gelöscht werden könnte. Bei der Evakuierung der Plattform am Montag sei die Gasfackel nicht gelöscht worden, zitierte die britische Rundfunkanstalt BBC einen Unternehmenssprecher.

Unterdessen wurden die Überwachungsflüge in der Region fortgesetzt. Zuletzt war dabei ein dünner Film kondensierten Gases auf der Wasseroberfläche entdeckt worden. Total-Sprecher Jacques Emmanuel Saulnier beschrieb die Lage am Mittwoch als ernst, aber stabil. „Die ersten Hinweise deuten darauf hin, dass es momentan keine signifikanten Beeinträchtigungen der Umwelt gibt“, sagte Saulnier dem Rundfunksender France-Info. „Die absolute Priorität liegt heute darauf, das Gasleck zu schließen und die Umweltschäden zu begrenzen.“

Zur Schließung des Gaslecks an dem Bohrloch vor der Ostküste Schottlands prüfte Total mehrere Optionen. Bis zur Fertigstellung einer Entlastungsbohrung könnten sechs Monate vergehen, erklärte Total laut einem BBC-Bericht vom Mittwoch. Die Lage sei stabil, das Leck jedoch noch nicht gefunden.

Die Region ist für Schiffe und Flugzeuge gesperrt, die betroffene Förderplattform „Elgin“ wurde evakuiert. Auch der Konzern Shell brachte Arbeiter von einer benachbarten Plattform in Sicherheit. Ein Sprecher der Gewerkschaft RMT, die die Ölarbeiter vertritt, sagte, es bestehe das Risiko „katastrophaler Verwüstung“. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich das austretende Gas entzünden sollte, zitierte die BBC Sprecher Jake Molloy. Das Leck trat am Sonntag auf.

Giftiges Gas sprudelt in die Nordsee - die wichtigsten Fragen

Was ist das für ein Gas, das dort austritt? Der Betreiber der Plattform, der französische Total-Konzern, spricht laut Meeresschutzexperten Stephan Lutter von der Umweltstiftung WWF von einer Mischung aus den Kohlenwasserstoffen Methan, Propan und Butan. Außerdem enthalte es Verunreinigungen durch langkettige Kohlenwasserstoffe, die auch einen öligen Film an der Oberfläche verursachen. Besonders gefährlich ist Schwefelwasserstoff, der ebenfalls enthalten ist.

Was macht dieses Gas so gefährlich? Der Schwefelwasserstoff tötet alles Leben ab. Auch die Kohlenwasserstoffe sind problematisch – vor allem in der Atmosphäre. „Beispielsweise ist Methan ein echter Klimakiller“, sagte Lutter. Zudem bekämen Fische Embolien in den Kiemen, wenn sie in die austretenden Gasblasen gerieten. Der Öl-Film an der Wasseroberfläche ist zudem gefährlich für Wasservögel. Wegen des Schwefelwasserstoffs spricht der WWF sogar von „Todeszonen“.

Wie breitet sich das Gas aus? „Das ist wie eine Sprudelflasche unten am Meeresboden und kommt wohl aus tieferen Schichten“, sagte Lutter. Es sprudele zur Oberfläche, und am Ende verteile es sich in der Luft. Wie stark sich der Gasnebel in verschiedene Richtungen ausbreitet, weiß man derzeit nicht.

Besteht Explosionsgefahr? „Ja, es besteht Explosionsgefahr“, betont der Experte. Deshalb errichtete die Küstenwache bereits eine Zwei-Meilen-Sperrzone für Schiffe und eine Drei-Meilen-Zone für Flugzeuge. „Man hat alles abgeschaltet, was irgendwie Funken schlagen kann“, sagt Lutter.

Wie können die Verantwortlichen das Gas jetzt stoppen? Dies sei schon allein schwierig wegen der Sperrzonen, betont Lutter. „Wenn nicht mal ein Hubschrauber hinfliegen darf wegen der Explosionsgefahr, ist das dramatisch.“ Generell gebe es aber zwei Möglichkeiten. Entweder müsse man versuchen, das Loch direkt zu stopfen oder Entlastungsbohrungen durchführen.

Leben in diesem Gebiet besonders gefährdete Tiere? Dort leben Lutter zufolge beispielsweise Haie, Rochen und der große Tümmler – „den man als Flipper aus dem Fernsehen kennt.“ Außerdem lägen dort wichtige Nahrungsgründe für Seevögel.

Besteht auch Gefahr für naheliegende Küsten? Zunächst nicht. Lutter vermutet auch, dass das giftige Gas und die relativ geringe Ölmenge das Ufer nicht erreichen werden – die Gasplattform ist etwa 240 Kilometer vom Festland entfernt. Die Nordsee-Strömung bewege sich zudem im Kreis, weshalb sich das Gas vermutlich nicht über sehr weite Strecken ausbreite.

Mit Material von dapd und dpa