Wer war die “Mona Lisa“ wirklich? Historiker haben die Antwort gefunden. Zugleich wird da Vinci ein unbekanntes Bild zugeordnet.

München. Die Geschichte um Leonardo da Vincis weltberühmtes Ölgemälde „Mona Lisa“ muss nach Ansicht eines italienischen Historikers völlig neu geschrieben werden. Es sei ausgeschlossen, dass das Bild die Florentiner Kaufmannsgattin Lisa del Giocondo zeige, sagte der Renaissance-Forscher Roberto Zapperi im Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Vorbild für das Gemälde sei stattdessen eine Geliebte von Giuliano de Medici gewesen, der ein Spross der berühmten florentinischen Bankiersfamilie war.

Dieser habe das Bild nach dem Tod der Geliebten in Auftrag gegeben, um den gemeinsamen unehelichen Sohn Ippolito über den Verlust der Mutter hinwegzutrösten, sagte Zapperi. Anhand neuer Dokumente habe er das gesamte Umfeld des Auftraggebers und die wahrscheinliche Entstehungsgeschichte des Gemäldes recherchiert. Die einzige Frau, die als Vorbild des Gemäldes in Frage komme, sei demnach Pacifica Brandani aus Urbino. Sie habe als einzige Frau Bedeutung für Giuliano de Medici gehabt. „Und das auch nur, weil sie seinen Sohn zur Welt gebracht hat. Ippolito blieb das einzige Kind Giulianos“, sagte Zapperi.

„Er durfte die Mutterfigur seiner Fantasie malen“

Ein Augenzeuge habe nach einem Besuch in der Werkstatt von da Vinci aufgeschrieben, dass der Künstler selbst Giuliano de Medici, einen Bruder von Papst Leo X., als Auftraggeber des Bildes genannt habe. Giuliano wiederum aber habe die Seidenhändlergattin Lisa del Giocondo nicht gekannt, die bislang gemeinhin als Modell des Werks gilt.

Zapperi plädierte dafür, das Gemälde künftig wie im Italienischen „La Gioconda“ zu nennen. Dieser Name sei schon von einem Leonardoschüler verwendet worden. Er bedeute „Die Tröstende“ möglicherweise deshalb, weil das Gemälde den kleinen Ippolito de Medici über den Verlust seiner Mutter hinwegtrösten sollte, sagte Zapperi. „Wir wissen, dass er immer nach seiner Mutter gefragt hat.“

Denn Pacifica Brandani sei 1511 nach der Geburt ihres Sohnes gestorben. „Ich nehme an: Aus diesem Grund beauftragte er Leonardo, der bei ihm fest angestellt war, dem Jungen eine Mutter im Bild zu geben“, sagte Zapperi über Giuliano de Medici. Dieser habe dem Künstler freie Hand gelassen. „Er durfte die Mutterfigur seiner Fantasie malen.“

Da Vinci habe wahrscheinlich nichts Konkretes über Pacifica Brandani gewusst „und reimte sich ihre Identität zusammen“, meinte der Historiker. Da Giuliano de Medici sich stets mit Menschen aus Florenz umgeben habe, habe die Annahme wohl nahe gelegen, auch die Porträtierte komme aus dieser Stadt. Weil Medici bereits 1516 starb und der kleine Ippolito damals erst vier Jahre alt gewesen sei, habe da Vinci das Bild schließlich selbst behalten und es mit nach Frankreich genommen, erklärte Zapperi weiter.

An der „wahren Mona Lisa“ verlor da Vinci die Lust

Dass sich die Annahme durchgesetzt habe, auf dem Bild sei die Florentiner Kaufmannsgattin Lisa del Giocondo zu sehen, habe mit der Darstellung des Kunstschriftstellers Giorgio Vasari und dessen „Übermacht“ zu tun, sagte der Historiker. Da Vinci habe aber tatsächlich einmal angefangen, die Kaufmannsgattin Mona Lisa zu malen, – „als er gerade Geld brauchte und ausnahmsweise bereit war, auch einen unbedeutenden Auftrag anzunehmen“, sagte Zapperi.

Davon werde Vasari wohl gehört haben und die Porträts der beiden Frauen dann in seiner Erzählung vermischt haben. „Das war sein Irrtum“, meinte Zapperi. „Was aus dem Kopf der Mona Lisa wurde, weiß ich nicht“, sagte der Historiker weiter. „Leonardo verlor wohl die Lust, denn er händigte ihn nie dem Seidenhändler aus.“

Modernste Technik entlarvt unbekanntes Gemälde als da Vinci

Unterdessen beschäftigt auch das Porträt einer jungen hübschen Frau mit entrücktem sinnlichen Blick, geröteten Wangen und gebundenem Zopf die Kunstwelt: Ist Leonardo da Vinci auch der Urheber dieses Bildnisses? Wissenschaftler halten dies für wahrscheinlich. Denn es wurde ein Fingerabdruck auf dem Bild entdeckt, der große Ähnlichkeit mit einem Fingerabdruck auf einem Werk da Vincis im Vatikan haben soll, wie die britische Fachzeitschrift „Antiques Trade Gazette“ berichtete. Der Fingerabdruck am oberen linken Rand des Gemäldes kam bei einer Untersuchung in einem Pariser Speziallabor ans Licht. Das Labor hatte insgesamt 18 Monate an dem Bild geforscht.

Das 33 mal 24 Zentimeter zeigt den Kopf der unbekannten Schönen im Seitenprofil, der Hintergrund ist goldfarben. Der Künstler hatte das Bild unter anderem mit Kreide auf Pergament gebracht. Kleider und Frisur der gemalten Frau sind der Mailänder Mode des späten 15. Jahrhunderts ähnlich. Bei einer Untersuchung zur Entstehungszeit habe ein Schweizer Institut einen Zeitraum zwischen 1440 und 1650 angegeben.

Das Bild hatte bei einer Versteigerung in New York im Jahr 1998 für 19000 Dollar den Besitzer gewechselt. Bei der Auktion wurde es als ein Werk aus dem 19. Jahrhundert angepriesen. Sollte es sich um einen Leonardo handeln, wäre das Bild der „Antiques Trade Gazette“ zufolge rund 100 Millionen Euro wert. Seit 2007 befindet es sich im Besitz des Kunstsammlers Peter Silverman.

Der kanadische Kunstexperte Peter Paul Biro habe die Multispektral-Bilder des Pariser Labors untersucht. Nach seiner Expertise hat der Abdruck eine hohe Übereinstimmung mit dem Abdruck eines Zeige- oder Mittelfingers auf Leonardos Bild St. Jerome im Vatikan. Nach Angaben Biros handelt es sich bei St. Jerome um ein frühes Werk Leonardos aus einer Zeit, wo er noch keine Assistenten beschäftigt hatte. Infrarot-Aufnahmen zeigten zudem eine hohe Ähnlichkeit mit einem Frauen-Porträt da Vincis, das in Schloss Windsor hängt.

Die Laborergebnisse stützen die These des Da-Vinci-Experten Martin Kemp, wie das Magazin weiter schreibt. Der ehemalige Professor für Kunstgeschichte an der Universität Oxford habe seine Erkenntnisse über das Bild in einem Buch zusammengetragen, das allerdings noch nicht veröffentlicht ist. Nach seinen Erkenntnissen könnte es sich bei der porträtierten Frau um Bianca Sforza handeln, die Tochter eines Herzogs von Mailand. (AP/dpa/abendblatt.de)