Während die Polizei Spuren und Indizien der grausamen Tat auswertet, sind Velbert und seine Bürger von Normalität weit entfernt.

Velbert/Mettmann. Der mutmaßliche Peiniger der neunjährigen Kassandra sitzt hinter Gittern - doch das idyllische Velbert-Neviges bei Essen ist von einer Rückkehr zur Normalität weit entfernt. Vor dem Spieltreff „Treff 51“, aus dem Kassandra vor drei Wochen verschwand, stehen immer noch Streifenwagen. Vor der Grundschule auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat die Polizei ebenfalls Posten bezogen.

„Er war immer sehr unruhig. Er hat viel gelogen“, sagt Daniel Koge, Zivildienstleistender im Jugendtreff, über den Verdächtigen, einen verhaltensauffälligen Schüler. Oft sei der 14-Jährige, der die Tat abstreitet, in Rangeleien verwickelt gewesen und habe schließlich Hausverbot in dem Treff erhalten. Mit ungutem Gefühl erinnert sich der „Zivi“ an die vergangene Woche: An einer Bushaltestelle war er dem 14-Jährigen begegnet: „Er hat sich total normal verhalten. Er hat sogar noch gefragt, wann der Jugendtreff wieder stattfindet.“

Auch eine Realschülerin kennt den Verdächtigen: „Der war immer sehr auffällig. War in den Pausen immer an anderen Schulen, hat sich mit anderen Kindern geprügelt.“ Mitschüler bestätigen die Beobachtung: „Er hat sich in den Pausen immer geprügelt. Manchmal im Ernst, manchmal im Spaß.“

In dem beschaulichen Stadtteil, früher allenfalls durch seinen Wallfahrtsdom bekannt, ist man misstrauisch geworden. Das Gefühl von Sicherheit ist verschwunden. Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen, hetzen vorbei. Eine Gruppe von Schulkindern passiert das Sportgelände, auf dem sich Kassandras Martyrium ereignete. „Unsere Eltern haben panische Angst um uns“, meint ein Mädchen. Deshalb dürfen die Kinder nur in der Gruppe zur Schule gehen.

Faserspuren belasten den 14-Jährigen

Unterdessen verdichten sich die Indizien gegen den 14-jährigen Schüler weiter. An Kassandras blutbefleckter Jacke hatte die Polizei Fasern entdeckt, die mit der Kleidung des Schülers übereinstimmen. „Die Fundstellen deuten nicht auf einen normalen Kontakt hin“, sagte ein Polizeisprecher in Mettmann. Durch eine zufällige Berührung könnten die Spuren nicht dorthin gelangt sein. Die Fasern fanden sich auch an einem nicht näher beschriebenen „Tatmittel“. Beides sei in der Nähe des Tatorts in Velbert bei Essen „sehr gut versteckt“ gewesen. Der Jugendliche bestreitet die Tat weiterhin.

Die Ermittler warten zurzeit auf das Ergebnis der DNA-Analyse und die ersten Worte der schwerverletzten Kassandra zum Tatgeschehen. Ob und wann sie sich zu dem grausamen Geschehen äußern kann, ist aber weiter unklar. Der Genesungsprozess solle auf keinen Fall durch eine zu frühe Befragung gefährdet werden, hieß es.

Der 14-Jährige wird verdächtigt, Kassandra vor drei Wochen in Velbert brutal misshandelt und lebensgefährlich verletzt in einen Gully-Schacht geworfen zu haben. Er wirke abgeklärt und „völlig gefühllos“, hatten die Ermittler berichtet. Tatverdächtiger und Opfer hatten sich gekannt. Ein Psychiater soll nun untersuchen, ob der stark verhaltensauffällige, aber normal intelligente Jugendliche schuldfähig ist. Hinweise auf ein Sexualverbrechen wurden nicht gefunden.

Das Motiv der Tat des Jugendlichen ist unterdessen weiter unklar. Bevor er erneut vernommen werde, erhalte zunächst der Rechtsanwalt des Jugendlichen Akteneinsicht. Weil die Polizei aber auch noch andere Spuren verfolgt, macht das Gerücht von einem erwachsenen Mittäter die Runde. „Es gibt keine Hinweise auf einen Komplizen. Der 14-Jährige ist am Tatort immer nur alleine gesehen worden“, trat der Polizeisprecher solchen Gerüchten entgegen.

Neben den Faserspuren weisen auch Zeugenaussagen auf den Jugendlichen hin. Er sei zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts gesehen worden und habe mit einem Fahrrad fluchtartig das Gelände verlassen, auf dem Kassandra Stunden später von einem Spürhund gefunden wurde, hatten die Ermittler berichtet.