Eine geheime Jury nominiert das deutsche Lied für Moskau 2009. Die Zuschauerwahl entfällt. Ralph Siegel will sich bewerben.

Hamburg. Der Schock saß tief. Nach dem letzten Platz für die No Angels in Belgrad im Mai forderten viele, Deutschland müsse aus dem Grand Prix aussteigen. So weit wird es 2009 nicht kommen. Doch seit gestern steht fest: Die ARD schafft den Vorentscheid ab. Eine Live-Show, in der TV-Zuschauer den Kandidaten für Moskau wählen, wird es nicht geben.

Anstelle des Publikums entscheidet im Frühjahr erstmals seit 1995 wieder eine (noch geheime) Jury, wer im Finale des Eurovision Song Contest (ESC) für Deutschland singen soll. Das Besondere daran: Die vom NDR beauftragten "professionellen Musikexperten" werten alle Vorschläge anonym aus, das heißt, die Jury wird nicht erfahren, von wem die aussortierten Titel stammen. Der Sieger steht automatisch im ESC-Finale am 16. Mai in der Moskauer Olympiahalle.

Neu ist auch: Bis zum 22. Januar sammelt der NDR in Hamburg Bewerbungen. Jeder Künstler kann Titel einschicken, sofern das Lied nicht vor dem 1. Oktober veröffentlicht wurde. In den strengen Teilnahmebedingungen heißt es: "Gesucht wird ein international ausgerichteter Song, der einer starken europaweiten Konkurrenz standhält oder sie überragt. Die Interpreten müssen in Gesang und Bühnenpräsentation unter Live-Bedingungen sicher und erfahren sein."

Die ARD will damit die Hemmschwelle für international erfolgreiche Musiker senken. Viele deutsche Stars seien nicht bereit, sich einer nationalen Telefonabstimmung zu stellen. Biete man ihnen die Aussicht, direkt ins Finale zu kommen, sei die Bereitschaft schon größer. Durch die Auswahl eines Titels im Frühjahr sei gewährleistet, dass die Songs während des Wettbewerbs im Mai "noch frisch sind". Als Erster kündigte gestern der Grand-Prix-Altmeister Ralph Siegel (63) seine Bewerbung als "deutscher Direktkandidat" an. Der Münchner Komponist sagte dem Abendblatt: "Natürlich reiche ich ein Lied ein und stelle mich auch gerne der Jury." Einerseits sei es schade, dass die Zuschauer den Vorentscheid nicht im TV sehen könnten, andererseits sei er froh über die neue Chance, sich zu beweisen. Siegel hatte 1982 mit Nicole ("Ein bisschen Frieden") den bisher einzigen Grand-Prix-Sieg für Deutschland geholt.

Andere namhafte Künstler halten sich (noch) zurück. Während Hamburgs weltweit erfolgreiche Technoband Scooter, die 2004 nur knapp vor Max Mutzke im Vorentscheid scheiterte, sich nicht noch einmal bewerben will, lehnten Rosenstolz und das Duo Ich & Ich eine Stellungnahme zunächst ab. Die Teenie-Band Tokio Hotel war nicht erreichbar, zählt aber zu den größten Favoriten.

Auch beim Finale in Moskau sollen erstmals wieder Jurys mitentscheiden (das Abendblatt berichtete). Jedes Land wird seine Punkte je zur Hälfte nach den Stimmen der Anrufer und einer nationalen Jury vergeben. So soll das berüchtigte "Nachbarschaftsvoting" begrenzt werden.


Die detaillierten Teilnahmebedingungen für alle Bewerber finden Sie unter www.abendblatt.de/esc