Die Jagd nach den einst so begehrten Auszeichnungen wird zu teuer. Die Ansprüche ersticken die Kreativität.

Paris. Verrückte Welt: Wer als Koch etwas auf sich hält, strebt nach den Sternen. Erst die Auszeichnung des Gastronomieführers Michelin machen einen Koch berühmt. Doch Frankreichs Sterneköche sind auf die Sterne gar nicht mehr so versessen. Nun hat schon wieder ein Küchenkünstler angekündigt, dass er aufgibt. Olivier Roellinger (53), Drei-Sterne-Koch und Star aus der Bretagne, verzichtet auf die Luxusküche: Sie bedeutet zu viel Stress.

Schon drei weitere französische Spitzenköche hatten in den vergangenen Jahren das Handtuch geworfen. Als Erster verzichtete Joël Robuchon 1996 auf seine Sterne: "Das ist zu anstrengend. Ich möchte leben." Im Jahr 2005 folgte ihm Alain Senderens aus Paris und ein Jahr später Antoine Westermann aus Straßburg. Alle drei wurden für ihre Restaurants im neuen Stil allerdings wieder ausgezeichnet. Robuchon kommt mit seinen Restaurants weltweit heute mit 18 Sternen insgesamt auf die meisten, damit liegt er sogar vor seinem Landsmann Alain Ducasse mit 14 Sternen. Auch mehrere Köche, die mit ein oder zwei Sternen ausgezeichnet waren, haben darauf verzichtet.

Die Sterne, die zu Anfang ihrer Karriere alle Köche anspornen, scheinen sich im Laufe der Jahre eher als Last herauszustellen. Unvergessen ist der Selbstmord des Kochs Bernard Loiseau aus der Bourgogne im Jahr 2003, der unter dem Stress zu sehr gelitten hatte. Die Jagd nach den Sternen ist zum Hochleistungssport geworden, der den Spaß am Kochen in den Hintergrund drängt. Die Investitionen sind immens hoch, die Anforderungen zu groß. Wer Spitzenkoch ist, hat kein Recht auf Irrtum. Eine ganze Armada von Personal muss für die Gäste bereitstehen, beim Dekor und der Auswahl der Zutaten darf auch nicht gespart werden. Ein Sternekoch muss sich dreimal überlegen, ob er etwa Küchenklassiker wie Hering und Kartoffeln auf die Speisekarte setzt. Zu schlicht, zu gewöhnlich. Es müssen schon mindestens Hummer und Muscheln sein.

Die Preise für diese Spitzengerichte klettern deshalb immer mehr in astronomische Höhen. Viele Köche, darunter Roellinger, wünschen sich aber wieder "ein größeres Publikum" und mehr Freiheit in der Zusammenstellung ihrer Gerichte, eine "demokratischere Küche".

Um die Kosten des Spitzenrestaurants finanzieren zu können, müssen viele Köche günstigere Zweitrestaurants eröffnen. Roellinger, der mit Les Maisons de Bricourt im Hafen von Cancale für Marineküche mit exotischen Gewürzen bekannt ist, hat auch mehrere Ableger. So wächst die Anspannung, und deshalb sagt er heute: "Meine körperliche Kondition erlaubt mir nicht mehr, zweimal am Tag für das Menü zu sorgen. Ich will ein neues Kapitel in meinem Leben schreiben."

Roellinger hat sich Jahrzehnte an dem gnadenlosen Sternewettbewerb beteiligt und dafür seine Familie vernachlässigt. Er eröffnete 1982 sein Restaurant. Seinen ersten Stern bekam er 1984, als seine Tochter geboren wurde, bei seinem zweiten Stern 1988 war er Vater eines Sohnes geworden. Im Jahr 2006 erhielt er dann endlich die höchste Auszeichnung der Kochwelt, den dritten Stern. Aufgeben will Roellinger das Kochen nicht. Wie seine berühmten Kollegen will er nur anders kochen - ohne Einschränkung durch die Sterne.

Er stellt sich für die Zukunft eine "Qualitätsküche" vor und sagt: "Heute bin ich auf der Suche nach einem neuen Glück." Noch bis zum 15. Dezember kocht Roellinger mit Drei-Sterne-Anspruch, dann zieht er sich zurück. Seine Entscheidung könnte Schule machen, vermutet der bekannte Gastronomiekritiker Alain Simon von der Tageszeitung "Le Figaro". Er sieht kleinere, persönlichere Restaurants als Trend für die Zukunft.