Vogelgrippe: Bald beginnt die Rückkehr aus den Winterquartieren. Nach ersten Todesfällen bei Menschen in der Türkei: Forscher beobachten die Flugrouten nach Norden ganz genau.

Hamburg/Ankara. Deutschland in Angst vor der Vogelgrippe. Viele fragen sich: Kommt mit den Zugvögeln im Frühjahr auch der tödliche Erreger zu uns? Sicher ist: Drehscheibe des Ost- und mitteleuropäischen Vogelzugs ist alljährlich der Nordwesten der Türkei, wo das Virus H5N1 sich derzeit von Osten her ausbreitet.

Experten befürchten, die Transitflieger könnten sich auf ihrem Weg von den afrikanischen Überwinterungsgebieten nach Europa mit dem Virus infizieren und es dann in ihre europäischen Brutgebiete einschleppen. Viele Vogelexperten schätzen dieses Risiko zwar deutlich geringer ein als den Übertragungsweg über Nutzgeflügel. Aber sie raten zu erhöhter Wachsamkeit.

"Wir werden ein verstärktes Augenmerk auf die Zugrouten richten", sagt Elke Reinking vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, dem Friedrich Loeffler Institut auf der Insel Riems. "In der Türkei und in anderen Transitländern wird der Vogelzug beobachtet, so daß wir vorgewarnt sind, wenn unter den Wildvögeln die Krankheit auftritt." Von den in Deutschland brütenden Zugvögeln wählen vor allem Weißstörche die Route über die Türkei. Die Segelflieger sind auf Aufwind angewiesen, der nur über Land entsteht.

Deshalb überfliegen sie nicht das Mittelmeer, sondern wählen Wege über zwei Meerengen: im Westen über die Iberische Halbinsel und Gibraltar, im Osten über den Bosporus. Etwa 400 000 europäische Weißstörche nehmen die Ostvariante - 120 000 ziehen über Gibraltar. Das Elbetal ist eine Zugscheide für die knapp 9000 in Deutschland brütenden Störche: Wer sein Nest östlich der Elbe gebaut hat, zieht über den Bosporus, die Weststörche über Spanien beziehungsweise Gibraltar.

Gesteuert vom knapper werdenden Nahrungsangebot verlassen die Störche meist im Februar ihr afrikanisches Winterquartier. Sie fliegen im Durchschnitt Tempo 90, legen am Tag also um die 400 Kilometer zurück. Die ersten erreichen im März ihre deutschen Brutgebiete. Bei schlechtem Wetter über Südosteuropa kann sich die Reise bis in den Mai hinzuziehen. Das heißt, sie machen unter Umständen längere Zeit Rast in der Türkei, und sind dem Virus länger ausgesetzt.

Auch Greifvögel wie der Schrei- oder der Fischadler nutzen die Mittelmeerumgehungen. "Über den Bosporus fliegen jedoch fast nur Vögel, die in Mittel- und Osteuropa brüten", sagt Sven Baumung, Leiter der Vogelberingungsstation im Hamburg Schutzgebiet "Die Reit". "Greifvögel aus Deutschland sind nur vereinzelt darunter, der große Rest fliegt westlicher." Das gleiche gelte für Singvögel, so Baumung.

Insgesamt wählen etwa drei Viertel der heimischen Zugvogelarten die Strecke über Spanien oder einen mittleren Weg über Italien. Von Greifvögeln ist bekannt, daß sie sich vereinzelt mit der Vogelgrippe infiziert haben, vom Weißstorch noch nicht. Dazu müßte sich Adebar in den türkischen Feuchtgebieten mit angesteckten Wildvögeln mischen - bislang ist in der Türkei nur Nutzgeflügel betroffen. Zudem erschweren Wissenslücken die Einschätzung, wie groß das mit dem Vogelzug verbundene Risiko tatsächlich ist. So ist zum Beispiel überhaupt nicht klar, wie schnell infizierte Weißstörche erkranken und ob sie dann körperlich überhaupt noch in der Lage wären, den Virus gen Norden zutragen.

Die Vogelgrippe könnte aber auch durch Tiertransporte nach Deutschland gelangen: Das größte Risiko besteht darin, daß infiziertes Geflügel über die Grenze gebracht wird. Deshalb hat die EU umfassende Importverbote für Geflügel und Geflügelprodukte aus betroffenen Ländern erlassen, etwa aus der Türkei, aus Thailand, Indonesien, China, Vietnam und Russland.

Um illegalen Handel mit infizierten Tieren zu verhindern, hat der Zoll etwa an Flughäfen gestern die Kontrollen verschärft. Das Vogelgrippe-Virus wird vor allem bei engem Kontakt mit infizierten Hühnern, Enten oder Gänsen auf Menschen übertragen. Souvenirs wie Federn dürfen genauso wenig mit nach Deutschland gebracht werden wie Geflügel, Geflügelfleisch und Eier. Auf einen Geflügeldöner muß aber niemand verzichten: Das Virus wird beim Erhitzen zerstört.