Kardelen K. ist am Montag vom Spielen nicht nach Hause zurückgekehrt. Gibt es Parallelen zum Mordfall Michelle?

Paderborn. Als der Vater (34) von Kardelen K. am Montag gegen 18.20 Uhr sein Kind bei der Polizei in Paderborn (Nordrhein-Westfalen) als vermisst meldete, muss er Böses geahnt haben. Der Mann erlitt einen Zusammenbruch und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Jetzt gibt es eine erste Spur von der acht Jahre alten Schülerin, und sie lässt Schlimmstes befürchten. Gestern wurde am rund 60 Kilometer entfernten Möhnesee Kinderkleidung entdeckt, die dem Mädchen gehört. Die Polizei in Soest sicherte sofort den Fundort in der Nähe der Sauerländer Talsperre ab. Die Spurensicherung nahm das Gebiet unter die Lupe. Ermittler aus Paderborn überprüfen die Kleidungsstücke.

"Kinderkleidung ist ja Massenware", hatte ein Polizeisprecher noch am Morgen zu beruhigen versucht. Neben einem pinkfarbenen Mantel seien Unterwäsche und Handschuhe entdeckt worden. Aufgrund der Fundsituation könnten die Kleidungsstücke möglicherweise aus einem fahrenden Auto geworfen worden sein, so die Ermittler. Zwei Joggerinnen hatten gestern Morgen den Mantel und Wäsche auf einem Geh- und Radweg neben einer Straße entdeckt. Sie alarmierten sofort die örtliche Polizei. Am Abend stand fest: Die Kleidung gehört der Vermissten. Die Eltern hatten die Teile identifiziert.

Kardelen gilt als sehr zuverlässig. Das Mädchen hatte am Montag das Mehrfamilienhaus seiner Eltern in der Paderborner Südstadt zum Spielen mit einer Freundin verlassen. Um 14.30 Uhr verliert sich seine Spur. Da wurde Kardelen noch von einer Nachbarin gesehen. Als das Kind nicht zur verabredeten Zeit nach Hause kam, suchte die türkische Familie zunächst selbst nach dem Mädchen. Schließlich wandten sich die Eltern verzweifelt an die Polizei.

Gestern setzte eine Hundertschaft die erfolglose Suche vom Dienstag fort. Ein Polizeihubschrauber mit einer Wärmebildkamera überflog das Gebiet, in dem Kardelen zuletzt gesehen worden war. Zudem durchsuchten Beamte aus Bielefeld und der Kreispolizeibehörde Paderborn intensiv Kleingärten, Parkanlagen und abermals das Wohnumfeld der Vermissten. In die Suche wurden auch die Wohnhäuser in der Nachbarschaft einbezogen. Polizeidiensthunde wurden in schwierig zugänglichen Bereichen eingesetzt. Außerdem verteilte die Polizei Handzettel und Suchplakate mit deutschen und türkischen Texten sowie mit dem Bild des vermissten Kindes.

Auch die Schule wurde in die Ermittlungen einbezogen. "Wir nehmen das Verschwinden des Mädchens sehr ernst und ermitteln weiter in alle Richtungen", sagte ein Polizeisprecher. Die Achtjährige ist etwa 1,20 Meter groß, hat dunkle Augen und schulterlange schwarze Haare. Am Montag trug Kardelen einen auffallenden pinkfarbenen, knielangen Wintermantel mit fellbesetzter Kapuze. Auf dem Rücken steht "Prinzess". An den Füßen trug die Schülerin schwarze, pinkfarben abgesetzte Winterstiefel. Die Polizei bat die Bevölkerung dringend um Mithilfe. "Wir brauchen jede Information, auch wenn sie möglicherweise unwichtig erscheint", sagte der Sprecher. Hinweise nimmt die Polizei unter der Rufnummer 052 51/30 60 entgegen.

Die Eltern Yasin und Dönde K. werden von Opferschutzbeauftragten der Paderborner Polizei betreut. Mit jeder Stunde wächst ihre Angst, dass Kardelen etwas zugestoßen sein könnte.

Das Verschwinden von Kardelen erinnert an den Mordfall Michelle (* 8). Das Mädchen war am 18. August vergangenen Jahres auf dem Heimweg von einer Ferienfreizeit in seiner Schule in Leipzig verschwunden. Die Eltern schalteten sofort die Polizei ein. Drei Tage später wurde der Leichnam des Kindes in einem Teich am Rande eines Spielplatzes gefunden. Vom Täter hat die Polizei trotz intensiver Suche noch immer keine Spur.

Wochen später wurde in der Nähe von Michelles Heimatort eine 13-Jährige angefallen. Sie konnte sich befreien und fliehen. Der Teenager beschreibt seinen Angreifer als Deutschen, 175 bis 185 Zentimeter groß. Er habe ein ungepflegtes Äußeres gehabt und einen dunklen Viertürer gefahren.