Neuer Mietspiegel und Häuserräumung rufen Linksautonome auf den Plan. Steinwürfe und Brandstiftungen nach Räumung von besetztem Haus.

Berlin. Nächstes Kapitel im "Häuserkampf" von Berlin : In der Nacht zu Dienstag haben vermutlich linksextreme Aktivisten im Bezirk Mitte wegen einer Häuserräumung randaliert. Die vermummten Täter warfen Steine und legten Feuer. Auf den Nebensitz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Köllnischen Park in Mitte flogen Steine in mehrere Fensterscheiben. Außerdem warfen die Täter nach Polizeiangaben vom Dienstag Flaschen mit Farbe gegen die Fassade des Gebäudes. Eine Pförtnerin alarmierte gegen 1.30 Uhr die Polizei. Weiterer Grund für die Eskalation ist vermutlich die Vorstellung des neuen Mietspiegels für Berlin.

In der Nähe einer Baustelle für Neubauwohnungen in der Sebastianstraße in Mitte wurde ein Teil eines Lastwagens angezündet. Die Polizei löschte das Feuer gegen 0.30 Uhr. Um 3.40 Uhr entdeckten Wachleute Flammen auf einer Baustelle am Patentamt auf der Gitschiner Straße. In allen Fällen prüft der politische Taten zuständige Staatsschutz der Polizei.

Das größtenteils unbewohnte Haus in der Schlesischen Straße war von etwa einem Dutzend Protestierern besetzt worden. Damit wollten sie gegen die ihrer Ansicht nach zu hohen Mieten demonstrieren. Am Montag war in Berlin der neue Mietspiegel vorgestellt worden, der für die Hauptstadt um vier Prozent gestiegene Mieten ausweist.

Schon bei der Präsentation des Mietspiegels hatten linke Gruppen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Wilmersdorf gestört. Die mit roten Kapuzenpullis und Masken bekleideten Demonstranten stürmten am Montagvormittag die Pressekonferenz im Dienstgebäude in der Württembergischen Straße. Sie protestierten mit Parolen und Transparenten gegen steigende Mieten, Gentrifizierung und soziale Verdrängung.

Die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), wollte den neuen qualifizierten Berliner Mietspiegel sowie die Betriebskostenübersicht vorstellen. Sie sollte auch eine Ausstellung eröffnen, die über den Nutzen des Mietspiegels informiert.

In Berlin haben die lange vergleichsweise geringen Mieten jüngst deutlich angezogen. Die durchschnittliche Kaltmiete soll einem Medienbericht zufolge in den vergangenen zwei Jahren um rund 30 Cent von etwa 4,80 auf 5,10 Euro gestiegen sein. Das würde einem Anstieg von rund sechs Prozent entsprechen. Linke Gruppen kritisieren, dass durch die Preissteigerung alteingesessenen Mieter verdrängt werden.

Die Polizei räumte auf Antrag des Eigentümers am Montagabend mit etwa 200 Beamten das Haus in der Schlesischen Straße. Etwa 100 Sympathisanten der Besetzer wurden auf der Straße abgedrängt. Es gab einige verletzte Polizisten. Die Hausbesetzer wurden nach Feststellung ihrer Personalien wieder freigelassen.

Erst im Februar war es im Berliner Stadtteil Friedrichshain zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Sympathisanten aus der linksautonomen Szene gekommen, nachdem ein besetztes Haus in der Liebigstraße 14 geräumt worden war. 32 Randalierer wurden festgenommen, ein Polizist musste in die Klinik eingeliefert werden.

Der Berliner Mietspiegel 2011

Durchschnittliche Kalt-Miete pro Monat in

– einfacher Wohnlage: 4,84 Euro

– mittlerer Wohnlage: 5,21 Euro

– guter Wohnlage: 5,92 Euro (durchschnittliche Steigerung Prozent pro Jahr seit 2009: 5,5 Prozent)

in Wohnungen mit einer Fläche von

– unter 40 Quadratmetern: 5,87 Euro

– 40 bis 60 Quadratmeter: 5,15 Euro

– 60 bis unter 90 Quadratmeter: 5,07 Euro

– 90 und mehr Quadratmeter: 5,31 Euro (durchschnittliche Steigerung pro Jahr seit 2009: 4,7 Prozent)

Verlangt werden im Schnitt kalt für

– teilausgestattete Wohnungen: 3,81 Euro (durchschnittliche Steigerung pro Jahr seit 2009: 8,8 Prozent)

– Wohnungen in einfacher Wohnlage: 4,84 Euro

– bis 1918 gebaute Wohnungen: 5,04 Euro (durchschnittliche Steigerung pro Jahr seit 2009: sechs Prozent)

– 1973 bis 1990 im Osten gebaute Wohnungen (vorwiegend Plattenbau): 4,99 Euro (durchschnittliche Steigerung pro Jahr seit 2009: 2,3 Prozent)

– erstmals 1973 bis 1983 in Berlin West bezogene Wohnungen: 6,64 Euro (durchschnittliche Steigerung pro Jahr seit 2009: 2,4 Prozent)

– erstmals 1984 bis 1990 in Berlin West bezogene Wohnungen: 6,40 Euro (durchschnittliche Senkung pro Jahr seit 2009: ein Prozent)

– bezugsfertig seit 1991: 7,05 Euro

Die Mieten haben sich seit 2009 im Durchschnitt um 20 Cent pro Quadratmeter und Jahr erhöht. In den vergangenen vier Jahren stiegen sie jährlich um 12 Cent. (dpa/dapd/abendblatt.de)