Abendblatt-Reporter Rainer Grünberg ist vor Ort in Vancouver und schildert seine ersten Eindrücke aus der schönen Olympia-Metropole.

Vancouver. Acht Grad Celsius, diesig, mit sanftem Westwind vom Pazifik präsentiert sich Vancouver vier Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele am Freitag. Vom Eise befreit, das es in diesem Winter nie gab, mit des Frühlings belebendem Duft empfängt die kanadischen Millionenstadt ihre Gäste. Bis zu 200.000 werden erwartet. Erste Krokusse kriechen aus dem Boden, überall springt sattes Grün dem Besucher in die Augen. Von Vorfreude auf die Spiele ist bei den Kanadiern allerdings noch wenig zu spüren. Vereinzelt hängen Nationalflaggen von den Balkonen, allein das Fernsehen vermittelt auf seinen zahlreichen Kanälen in unablässigen Spots olympische Atmosphäre. Gestalten sich die realen Bilder in den nächsten 20 Tagen ähnlich eindrucksvoll wie die virtuellen, werden es mitreißende Spiele.

Rund 120 Kilometer in den Bergen nördlich bei Whistler, dort werden die Schnee-Wettbewerbe ausgetragen, hat es in den vergangenen Tagen angefangen zu schneien. Das freut die Organisatoren. Die bereits in Stellung gebrachten Schneekanonen sollen aber vor Ort bleiben. Mit Wetterkapriolen sei zu rechnen, sagen die Meteorologen.

Wie ein kanadischer Winter auch aussehen kann, durften die Passagiere des Lufthansa-Fluges LH 494 von Frankfurt am Main nach Calgary, der Olympiastadt von 1988, erfahren. Unter ihnen waren Beamte der Bundespolizei, die in Vancouver die deutsche Olympiamannschaft diskret beschützen sollen. In Calgary legten Temperaturen von minus elf Grad Celsius und leichtes Schneegestöber den örtlichen Flugverkehr fast lahm. Der mächtige Lufthansa-Airbus musste nach der Landung immer wieder Zwischenstopps einlegen, weil er über die Rollbahn schlitterte. Die herbeigeeilten Räumfahrzeuge konnten nur den Schnee beiseite schieben, nicht jedoch die vielen kleinen Eisplatten, die der Frost in den Asphalt gefressen hatte. Bei diesen Eindrücken relativierte sich die schlechte Meinung über den öffentlichen Winterdienst in Hamburg.

Beste Urteile fällen dagegen die Athleten über die olympischen Sportstätten. Eisschnellläuferin Jenny Wolf lobte die „hervorragenden Bedingungen“ im Oval von Richmond südlich von Vancouver. Dort will die Berlinerin olympisches Gold über 500 Meter gewinnen. „Die Voraussetzungen sind ideal, falls es nicht klappt, wäre es allein meine Schuld“, meinte Wolf. Sie strahlt weiter großen Optimismus aus, „auch wenn es ungewöhnlich ist, dass wir unseren Saisonhöhepunkt im Februar und nicht erst im März haben. Aber das Problem haben ja alle gleichermaßen.“

Dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Vorbereitungen der Gastgeber in höchsten Tönen feiert, gehört zum Ritual vorolympischer Tage. Diesmal hält die Einschätzung der kritischen Würdigung stand. „Verglichen mit Turin vor vier Jahren werden wir Winterspiele in einer neuen Dimension erleben“, sagte ein russischer Funktionär dem heimischen Fernsehsender RTV zwei Tage nach der Ankunft in Vancouver. Das Statement hatte sich schnell bei den Kanadiern herumgesprochen. Die Aussagen wurden sofort in die Werbekampagne für die Spiele eingebunden. Nur der Nachsatz fehlte: „Ich hoffe, dass wir 2014 in Sotschi die Kanadier noch einmal übertreffen werden.“ Bei den Temperaturen wird das schwer fallen. In Sotschi wurden zuletzt Werte um minus 15 Grad Celsius gemessen.