Zum EHF-Pokal-Auftakt in Kristianstad setzen die HSV-Handballer auch auf ihren neuen rumänischen Publikumsliebling im Rückraum

Hamburg. Alexandru Viorel Simicu, 26, verzieht bei einer seiner gelernten Deutsch-Vokabeln böse die Miene: „Parkplätze“, sagt der rumänische 2,02-Meter-Hüne traumatisiert. Neulich stand der HSV-Handballer auf seinem Balkon in Eppendorf und sah die Polizei an seinem Toyota. Schnell tobte er mit seinem Astralkörper die Treppen hinunter und konnte gerade noch verhindern, dass sein Wagen abgeschleppt wurde. „Ich hatte dort geparkt, wo alle anderen auch standen! 70 Euro musste ich bezahlen“, sagt er verzweifelt.

Die Parksituation sei aber das Einzige, was ihm an Hamburg nicht gefalle, versichert der neue Publikumsliebling, der von seinem nach Kiel gewechselten Vorgänger Domagoj Duvnjak die Trikotnummer vier tollkühn übernommen hat. Er ist das Last-Minute-Schnäppchen (kolportierte 8000 Euro Monatsgehalt), das bisher alle Erwartungen im linken Rückraum übertroffen hat. Und auf dessen rohe Wurfgewalt wieder Verlass sein dürfte, wenn der HSV an diesem Mittwoch (19 Uhr) beim schwedischen Vertreter IFK Kristianstad zum Qualifikations-Hinspiel im EHF-Pokal antritt. Schließlich war Simicu (gesprochen: Schimiku) in dem Wettbewerb 2013/14 mit 66 Toren zweitbester Schütze und erreichte mit seinem Ex-Verein HCM Constanta das Final-Four-Turnier in Berlin.

In der Bundesliga wurde er gerade als einer von drei HSV-Profis für die Vorauswahl des All Star Teams nominiert – zusammen mit Johannes Bitter und Hans Lindberg. Die Herzen der Fans eroberte „Schimi“ indes nicht nur wegen seiner durchschnittlich 4,1 Tore, sondern wegen seines für so eine Muskelmaschine geradezu bezaubernden Lächelns. Sein Agent Bhakti Ong sagt über Rumäniens Handballer des Jahres 2013: „Er ist ein gut aussehender Sonnyboy.“ Simicu selbst erzählt: „Die Fans haben mich bisher überall geliebt.“ Ja, er sei ein „positiver Typ“ , der auch mal gern in der Nachbarschaft mit Kentin Mahé auf einen Wein ausgehe. Über seinen Beziehungsstatus hüllt sich der Frauentyp grinsend in Schweigen. Deutsch lernt er mit seiner Lehrerin Anna, aber schon in Rumänien guckte er ProSieben und RTL2 und schnappte dabei viele deutsche Wörter auf.

Seinen Last-Minute-Wechsel nur eine Woche vor Bundesligastart verdankt er HSV-Coach Christian Gaudin. Vereinsmäzen Andreas Rudolph hatte den Franzosen nach drei Wünschen gefragt: Wunsch Nummer eins? „Schimi“, sagte Gaudin, der den putzigen Spitznamen erfunden hat. Er kannte ihn aus seinem Dreimonats-Engagement als rumänischer Nationaltrainer, ehe er selbst vom HSV abgeworben wurde.

Gaudin sagt über das kostengünstige Rückraum-Ass: „Er ist eine gute Überraschung für den HSV. Wir haben Glück gehabt mit ihm.“ Er lobt den Rechtshänder als „kompletten Spieler“. Dass er erst mit 25 seine Heimatliga verlassen habe, erklärt Gaudin damit, „dass der rumänische Handball in den letzten 15, 20 Jahren nicht so im Fokus stand“. Simicu selbst mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Ob er derzeit Rumäniens bester Handballer sei? „Ja!“, sagt er bestimmt. „Ich bin nur ehrlich.“

Zu Saisonbeginn wirkte der 26-Jährige noch etwas tapsig und hüftsteif in der Abwehr, als sei er ein ungeschliffener Rohdiamant wie Petar Djordjic (Reha nach Kreuzbandriss). Aber der Spätstarter Simicu entwickelte sich rasant, macht inzwischen eine starke Figur im Mittelblock und bringt Entlastung für Pascal Hens. Der Altstar greift nun meist erst in der zweiten Halbzeit an und markiert wieder wichtige Tore.

Auch Karl Gladeck schätzt den naturgewaltigen „Schimi“. In einem Café schilderte der HSV-Präsident kürzlich: „Er könnte jetzt hier am Tisch aufspringen und das Ding reinhauen – bäm!“ Die Sache hat bloß einen Haken: Simicu unterschrieb im Frühjahr bereits einen Kontrakt beim französischen Club Saint-Raphaël ab 2015/16. Zu seiner Vertragssituation sagt er zurzeit lieber nichts. Es ist ihm aber anzumerken, dass der HSV seine erste Wahl ist. Darf er bleiben, hätte er nur einen Wunsch: Einen Stellplatz für sein Auto.