Es ist geschafft! Deutschland steht im WM-Halbfinale. Was für ein irrer Fight gegen die Gauchos. Nach 120 packenden Minuten stand es 1:1 gegen Argentinien. King Klose glich Ayalas Führungstreffer aus. Dann gab es den Elfer-Krimi. Lehmann war der Held, hielt zwei. Danach kannte der Jubel in Stadion und im ganzen Land keine Grenzen..

BERLIN. Das deutsche Fußball-Märchen bei der Heim-WM geht weiter - mit Freudentänzen auf dem Rasen feierten die Nationalspieler am Freitag in Berlin den Einzug ins Halbfinale. Nach dem 4:2-Sieg im Elfmeterschießen gegen Argentinien umarmte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Tribüne Franz Beckenbauer und klatschte im Takt zur Melodie "Oh, wie es ist das schön". In der Vorschlußrunde trifft der WM-Gastgeber am Dienstag in Dortmund auf Italien, das die Ukraine mit 3:0 besiegte.

"Das war ein Krimi wie ein Hitchcock-Film. Ich bin wahnsinnig stolz auf die Mannschaft, ich könnte nicht stolzer sein", bilanzierte Bundestrainer Jürgen Klinsmann packende 120 Minuten. Im Elfmeterschießen bewies Jens Lehmann Nerven wie Drahtseile und hielt die Schüsse von Roberto Ayala und Esteban Cambiasso. Für die Gastgeber verwandelten Oliver Neuville, Michael Ballack, Lukas Podolski und Tim Borowski.

Während die Spieler auf dem Rasen zum Song "Wir werden Weltmeister" tanzten, verschwand der geschaffte Lehmann als Erster in der Kabine. Als schlechte Verlierer erwiesen sich einige Argentinier und zettelten am Spielfeldrand eine Rangelei an. Dafür sah Ersatzspieler Leandro Cufre nachträglich die Rote Karte vom souverän leitenden slowakischen Schiedsrichter Lubos Michel. Argentiniens Coach Jose Pekerman kündigte nach der Partie enttäuscht seinen Rücktritt an

Nach 120 packenden Minuten hatte es vor 72 000 Zuschauern im Olympiastadion 1:1 (1:1, 0:0) gestanden. Nachdem Ayala (49.) die Südamerikaner als Folge der ersten Unaufmerksamkeit in der Abwehr in Führung gebracht hatte, drohte wie zuletzt 1994 und 1998 das Aus im WM-Viertelfinale. Doch Kloses insgesamt zehntes WM-Tor (80.) riß ein schon verloren geglaubtes Spiel noch aus dem Feuer und bescherte Klinsmanns leidenschaftlich kämpfendem Team noch die Verlängerung.

Das erste WM-Duell der Fußball-Großmächte seit dem deutschen Final-Triumph 1990 entwickelte sich zu der erwarteten Nagelprobe, bei der die deutsche Mannschaft erstmals im Turnierverlauf kaum dazu kam, selbst den Rhythmus zu bestimmen. Die spielerischen Vorteile des zweifachen Weltmeisters glichen die Gastgeber allerdings mit Zweikampfstärke und Leidenschaft aus.

Erst in Rückstand liegend, offenbarte das Team aber jene bedingungslose Entschlossenheit, die es vier Spiele lang ausgezeichnet hatte und wurde schließlich mit dem Ausgleich belohnt. Klose traf nach einer Ballstafette über Ballack und Borowski per Kopf zu seinem insgesamt zehnten WM-Tor und zog damit in der deutschen Rangliste mit Helmut Rahn gleich.

Torsten Frings und Ballack ließen Argentiniens Regisseur Juan Roman Riquelme nur wenig Raum für seine gefürchteten Pässe, dennoch ging das Konzept der geduldig und clever auf einen deutschen Fehler wartenden Südamerikaner vier Minuten nach der Pause mit dem 0:1 auf. Ballack war fast ausschließlich mit Defensiv-Aufgaben beschäftigt und fand erst spät Gelegenheit, auf das Spiel nach vorne einzuwirken. In der zweiten Hälfte der Verlängerung wurde der 29-Jährige von Krämpfen geschüttelt und war kaum mehr als ein Statist. Dennoch übernahm er Verantwortung und trat zur Entscheidung vom Punkt an.

Wie von Klinsmann gefordert, ging die deutsche Elf von Beginn an aggressiv zu Werke. Allen voran Podolski, der schon nach 20 Sekunden Javier Mascherano von den Beinen holte und in der 3. Minute für sein zweites Foul Gelb sah. Erst allmählich löste sich die schier übergroße Anspannung, wurden auch erste spielerische Akzente gesetzt.

Vier Minuten nach dem Seitenwechsel gelang den Argentiniern praktisch mit der ersten Torchance die Führung. Nach einem Eckball von Riquelme gewann Ayala das Kopfballduell gegen Klose und ließ dem bis dahin kaum beschäftigten Lehmann mit einem plazierten Kopfball keine Chance. Die deutsche Mannschaft zeigte sich jedoch keineswegs geschockt und zeigte endlich die vorher vermißte Wucht und Geradlinigkeit im Spiel nach vorne. Klinsmann setzte wie im Vorrundenspiel gegen Polen alles auf eine Karte und brachte erst mit David Odonkor für Schneider und dann mit Neuville für Klose zwei Joker ins Spiel, die frischen Wind in die Aktionen brachten.