Dennis Daube und Jan-Philipp Kalla sind aktuell die einzigen Profis am Millerntor, die den Sprung aus der eigenen Jugend geschafft haben.

Hamburg. Kurz vor dem Weihnachtsurlaub ist es für Dennis Daube, 23, und Jan-Philipp Kalla, 26, genannt "Schnecke", Zeit, einen Rückblick zu wagen und Bilanz zu ziehen. Bei Tee (Daube) und Kaffee (Kalla) sprechen die beiden Eigengewächse über Veränderungen im Verein, den Durchbruch zum Profi, Wechselgedanken und Leihspieler, die ihnen den Platz in der Startelf streitig machen.

Hamburger Abendblatt: Herr Daube, Herr Kalla, das Jahr 2012 neigt sich dem Ende entgegen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit für die laufende Saison aus?

Dennis Daube: Unser Saisonbeginn verlief eher schleppend, wenn man es nett ausdrücken möchte. Es folgte der Trainerwechsel. Danach haben wir uns gefangen, gute Leistungen gezeigt. Den eingeschlagenen Weg müssen wir jetzt weitergehen.

Wenn Sie auf das Jahr zurückblicken, welche Highlights bleiben hängen?

Jan-Philipp Kalla: Ein Highlight war das Spiel in Paderborn, wo ich die Mannschaft erstmals als Kapitän aufs Feld führen durfte. Getoppt wurde das Ganze durch das Heimspiel gegen Bochum, wo ich das Team zu den Klängen von "Hells Bells" auf den Rasen führen durfte. Davon träumt man als kleiner Junge, das war schon ein absolutes Highlight. Ich war bereits im Juniorenbereich Kapitän, aber vor 25.000 Fans, das ist noch mal etwas anderes.

Daube: Ich hoffe, meine Highlights kommen noch. So viele gab es bei mir leider noch nicht.

Das klingt, als wären Sie unzufrieden.

Daube: Man darf grundsätzlich nie mit sich selbst zufrieden sein. Mein Ziel war es, so viele Spiele wie möglich von Anfang an zu machen. Zuletzt wurde ich vermehrt eingewechselt, aber in der Rückrunde will ich mich noch mehr zeigen, um hoffentlich noch das eine oder andere Spiel in der Startelf zu machen.

Seit Sie im Verein sind, gelten Sie als großes Talent. Dennoch hat man den Eindruck, dass Sie noch auf Ihren endgültigen Durchbruch warten, dass da noch viel Potenzial schlummert.

Daube: Es ist ein großer Schritt zum gestandenen Profispieler. Ich bin aus der A-Jugend zu den Profis gestoßen. Profifußball ist viel schneller, viel intensiver. Die Zweikämpfe werden ganz anders geführt. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Ich habe in den vergangenen Monaten gut an mir gearbeitet, und ich denke, dass ich jetzt körperlich im Profi-Fußball angekommen bin.

Der Verein setzt Ihnen häufig junge Leihspieler vor die Nase, die Ihnen die Plätze streitig machen. Nervt das?

Kalla: Im Fußball ist es doch das Normalste der Welt. Es hat Seltenheitswert, wenn Spieler wie Dennis und ich den Sprung vom Jugendspieler zum Profi schaffen. Heutzutage ist es leider die Regel, dass viel und schnell ausgeliehen und verkauft wird. Natürlich sind Leihgeschäfte für junge Spieler eine gute Option, um Spielpraxis zu bekommen. Für den Klub, der ausleiht, ist es schade, dass die guten Spieler nach ein oder zwei Jahren wieder weg sind.

Daube: Klar, es ist ärgerlich, aber es ist halt so bei Leihspielern. Sie kommen, helfen uns weiter und sind dann wieder weg. Wenn das nötige Kleingeld fehlt, um die Spieler zu verpflichten, ist ein Leihgeschäft eine gute Lösung. Es zeichnet St. Pauli aus, dass viele Spieler, die hier mal als Leihgaben waren, mittlerweile bei Bundesligavereinen spielen. Man kann sich glücklich schätzen, solche Spieler wenigstens für einen gewissen Zeitraum im Team zu haben.

Sie haben geschafft, wovon viele Kinder träumen: Aus dem Nachwuchs zum Profi-Fußball. Fühlen Sie sich als Vorbilder?

Kalla: Ich glaube, es ist normal, dass man von jungen Spielern als Vorbild angesehen wird, wenn man den Sprung aus der A-Jugend über die Amateure bis hin zum Profi geschafft hat. Jugendliche müssen eben sehen, dass man hier in der A- und B-Jugend nicht mit Geld zugeworfen wird. Aber hier kann man sich sehr gut entwickeln. Alles ist sehr familiär. Dir wird geholfen, sportlich und privat. Man sollte nicht nur aufs Geld gucken, sondern auch andere Werte und Perspektiven wertschätzen.

Können Sie sich bei der emotionalen Bindung zum Verein überhaupt vorstellen, mal ein anderes Trikot zu tragen?

Daube: Der Anspruch eines jeden Spielers sollte sein, zu spielen. Optimal ist es, wenn man dort Profi sein kann, wo man ausgebildet wurde. Wie das jetzt bei Schnecke und mir der Fall ist. Wenn man aber - aus welchen Gründen auch immer - keine Rolle mehr in den Planungen spielt und kaum zum Einsatz kommt, dann muss man sich als Profi Gedanken machen und eventuell auch den Klub verlassen.

Kalla: Irgendwann kann sicher mal der Zeitpunkt kommen, wo man gesagt bekommt, dass es hier nicht mehr weitergeht. Dann läuft der Vertrag aus, und man muss einfach woanders hin. Daher würde ich nie sagen: Niemals gehe ich von St. Pauli weg. Wie Dennis sagt, man wurde hier ausgebildet, in der Heimatstadt. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als in dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, wo Freunde und Familie sind, Fußball zu spielen.

Dennoch gab es immer mal wieder Wechselgerüchte um Sie.

Kalla: Von mir gingen diese Wechselabsichten nie aus. Holger Stanislawski hat mir einmal nahegelegt, mich mal ein halbes Jahr ausleihen zu lassen, um Spielpraxis zu bekommen. Ich habe mich dagegen entschieden. Auch weil es mir schwerfallen würde, hier wegzugehen. Ich wollte mich hier durchbeißen. Es hat gedauert, bis ich meine Einsätze, im Übrigen später auch in der Bundesliga, bekommen habe. Dann habe ich aber gemerkt, dass es die absolut richtige Entscheidung war, hierzubleiben. Jetzt bin ich immer noch ein Teil meines Vereins, und würde sogar sagen, dass ich ein Führungsspieler bin.

Und wie gehen Sie jetzt mit dieser Rolle um?

Kalla: Mir gefällt die Rolle ganz gut. Ich bin Kassenwart und Teil des Mannschaftsrates. Aber ich bin ja nicht der Einzige, der diese Rolle innehat.

Daube: Wenn man sieht, wie Schnecke sich gemacht hat, ist das beachtlich. Als ich aus der Jugend kam, war Schnecke für mich sofort ein Ansprechpartner. Wir kannten uns aus der Jugend. Wenn ich was hatte, bin ich zu ihm gegangen. Früher war er zurückhaltender als heute. Er ist nicht lauter, aber präsenter.

Herr Kalla, Sie sind seit 2003 im Verein, Sie, Herr Daube, seit 2008. Wie hat sich der Klub über die Jahre verändert?

Kalla: Ich bin tatsächlich in meiner zehnten Saison. Wenn ich meinen Vertrag erfüllen kann, bin ich der einzige Spieler, der das Millerntor von ganz alt bis ganz neu hautnah erlebt hat. Es ist unglaublich, wie sich der Verein entwickelt hat. Mit dem Stadion, dem Trainingszentrum, dem Drei-Sterne-Talenthaus. Ich habe mich hier noch in den alten Kabinen umgezogen, war früher mit den Profis an zwei, drei verschiedenen Orten, um trainieren zu können. Jetzt ist es super anzusehen, wie gesund St. Pauli ist, wie gut es dem Verein auch wirtschaftlich geht. Ich bin stolz, ein Teil des Ganzen zu sein.

Daube: Es ist schon richtig cool zu sehen, was hier passiert. In der Jugend gab es bei mir nicht mal einen Kraftraum. Unser Physiotherapeut hatte einen kleinen Raum, den er sich mit dem Schiedsrichter geteilt hat. Und jetzt hat man ein Talente-Haus, das mit drei Sternen ausgezeichnet wurde. Das bestätigt die Arbeit der letzten Jahre.

Hat sich die Identität des FC St. Pauli durch diese veränderten Bedingungen geändert?

Kalla: Nein. Es ist doch normal, dass sich ein Verein auch weiterentwickelt. Bloß weil man ein paar neue Tribünen und Separées hat, ändert sich nicht ein ganzer Verein. Das ist immer noch mein St. Pauli, wie es früher einmal war.