Nach 70 Tagen beim FC St. Pauli zieht der Trainer eine insgesamt positive Zwischenbilanz - vor allem in Sachen „Ochtnung“.

Hamburg. Ein letztes Mal hatte Michael Frontzeck seine Mannschaft zusammengerufen. Bei einem lockeren Waldlauf ließen Spieler und Trainer am Montagmorgen die vergangenen Monate noch einmal Revue passieren, Weihnachtswünsche und der obligatorische gute Rutsch wurden ausgetauscht, ehe sich das gesamte Team anschließend in den Weihnachtsurlaub verabschiedete. Coach Frontzeck richtete da den Blick schon wieder nach vorn. Man werde in Frankfurt zwar einige Spieler schonen, dennoch aber "eine Mannschaft aufbieten, die sich gut verkaufen wird", erklärte der 48-Jährige im typischen Trainerduktus. Gemeint hatte Frontzeck nicht etwa ein bevorstehendes Zweitliga-Auswärtsspiel, sondern den "Frankfurtcup 2013", ein Hallenturnier am 4. Januar, mit dem die Hamburger das neue Spieljahr einen Tag nach dem Trainingsauftakt einleiten werden.

Exakt 70 Tage nach seinem Amtsantritt im Oktober, als der Klub nach nur einem Sieg aus neun Spielen Vorletzter war, durfte sich Frontzeck zurücklehnen, dann doch einmal den Blick zurück wagen und eine erste Zwischenbilanz ziehen. "Das Ziel, Boden unter die Füße zu bekommen, ist uns gelungen. 15 Punkte aus zehn Spielen - das ist absolut okay", konstatierte er. In der Tat hat sich St. Pauli unter dem neuen Trainer der ärgsten Abstiegssorgen entledigt. Sechs Zähler beträgt der Abstand des Tabellen-13. auf den Relegationsplatz. Weil der Weg in die Aufstiegsregionen jedoch zu weit ist, könnte im Frühjahr Langeweile drohen. "Wir müssen die Spannung hochhalten, auch wenn wir einen Sprung gemacht haben", warnt Frontzeck jedoch. Man sei zwar auf einem guten Weg, dennoch werde seine äußerst junge Mannschaft immer wieder auch Rückschläge erleiden.

Grund zu übertriebener Sorglosigkeit weisen die Saisonstatistiken nämlich keineswegs auf. Nur 18-mal trafen St. Paulis Profis ins gegnerische Tor, auswärts gelangen gar nur vier Treffer. Kein Team der Zweiten Liga durfte seltener jubeln als die Hamburger. Vor allem in der ersten Halbzeit agiert das Team zu harmlos. Wäre nach 45 Minuten Schluss, St. Pauli stünde auf Relegationsplatz 16 und müsste um den Ligaverbleib zittern.

In Sachen Stabilität, der viel zitierten "Ochtnung", habe man einen Schritt nach vorn gemacht, lobt Frontzeck, bemängelt aber: "Wir müssen vorne effektiver werden." Während Stürmer Daniel Ginczek mit sieben Toren seinen Arbeitsnachweis voll erbracht hat, nimmt Frontzeck nun seine offensive Mittelfeldreihe in die Pflicht. Dort trug sich bislang einzig Fin Bartels (vier Tore) in die Statistiken ein. "Ich erwarte nicht nur, dass Fin hin und wieder ein Tor schießt, sondern auch Akaki Gogia, Christopher Buchtmann oder Kevin Schindler müssen mal treffen", wird Frontzeck deutlich.

Mit gutem Beispiel vorangehen wollte Spielmacher Buchtmann am Sonnabend beim 0:0 in Ingolstadt, doch sein Treffer war zu Unrecht wegen angeblicher Abseitsstellung aberkannt worden. "Da trifft er mal und dann nimmt man dem armen Kerl auch noch das reguläre Tor", ärgerte sich Frontzeck. "Wenn wir in Ingolstadt oder Paderborn gewonnen hätten, wäre es punktemäßig perfekt", erklärte er. Sein Vorsatz für das neue Fußballjahr lautet daher: "Wir müssen jetzt lernen, dass wir uns in solchen Spielen auch einfach mit drei Punkten belohnen."

Die Ausbeute also ausbaufähig, spielerisch hat der Coach hingegen seine fußballerische Idealvorstellung bereits gesehen. "In München, die zweite Hälfte gegen Kaiserslautern und über weite Strecken das Spiel gegen Duisburg waren so, wie ich es mir wünsche", erklärte Frontzeck. Vor allem beim 2:0-Erfolg bei 1860 München Anfang November - dem besten Auftritt der Hamburger in dieser Spielzeit - präsentierte sich St. Pauli sowohl im Spiel gegen den Ball als auch in der Offensive wie ein Spitzenteam im Unterhaus. So wie es Frontzeck fordert, um das vom Präsidium proklamierte Ziel, innerhalb der nächsten drei Jahre aufzusteigen, umsetzen zu können.

Um seine Liebe zu Mönchengladbach macht der Rheinländer zwar keinen Hehl, fühlt sich in Hamburg jedoch bereits pudelwohl. Das Hotelleben hat er mittlerweile gegen eine Wohnung in Ottensen getauscht. "Wenn man von dort morgens über den Kiez fährt, das ist schon toll", gerät er ins Schwärmen. "Diese fantastischen Fans, der Stadtteil St. Pauli, die Schiffe am Hafen - Hamburg ist immer wieder eine beeindruckende Stadt."

Bei aller Liebe zur Hansestadt verbringt er die Weihnachtsfeiertage dennoch mit seiner Familie in der Heimat am Niederrhein. "Ich werde immer Gladbacher bleiben, auch wenn es sich in Hamburg sehr gut leben lässt", sagt Frontzeck. Bereits am Abend machte er sich auf den Weg, 430 Kilometer südwestlich über die A 1 und A 2. Im Gepäck seine beste Bilanz in acht Trainerjahren. "Ich gehe mit absolut positiven Gedanken unter den Tannenbaum", erklärte St. Paulis Übungsleiter und verabschiedete sich mit den obligatorischen Weihnachtswünschen.