Das torlose Unentschieden gegen Ingolstadt spiegelt die verunglückte zweite Jahreshälfte des FC St. Pauli wider. Jetzt 50 Tage ohne Pflichtspiel.

Ingolstadt. Michael Frontzeck wollte dem Gedanken keine Chance geben, sich auszubreiten, ihn löschen, wegwischen. "Schwamm drüber", sagte er und verließ leicht resigniert, aber in Anbetracht der anstehenden Weihnachtsferien insgesamt doch zuversichtlich beschwingt den Pressekonferenzraum des Audi-Sportparks in Ingolstadt. Gemeint hatte der Trainer des FC St. Pauli die Leistung des mehrfach unglücklich agierenden Schiedsrichters Jochen Drees aus Münster-Sarmsheim und seines Assistenten Frederick Assmuth. "Schwamm drüber" könnte jedoch nicht nur die Überschrift über die Leistung des Schiedsrichtergespanns lauten, sondern auch über die gesamte zweite Jahreshälfte des FC St. Pauli. Ein Halbjahr zum Wegwischen, Schnellvergessen und Bessermachen.

Ein Sieg bei den "Schanzern", bei denen der ehemalige St. Paulianer Ralph Gunesch nicht zum Einsatz kam, hätte die Stimmung der Hamburger vor der Winterpause zwar erheblich steigern können, das 0:0, das sicherlich zu den unterhaltsameren torlosen Unentschieden gezählt werden darf, spiegelt jedoch nicht nur den aktuellen Leistungsstand St. Paulis, sondern auch die vergangenen Monate seit Saisonbeginn wider. In der Defensive steht die Mannschaft sicher, hat insbesondere nach der Übernahme von Frontzeck die Ordnung und Kompaktheit wiedergefunden, offensiv aber kranken die Braunweißen schon die gesamte Hinrunde an ihrer Durchschlagskraft. Möglichkeiten werden in fast jedem Spiel zahlreich herausgespielt, die Einzigen, die sie ab und an nutzen, sind jedoch Daniel Ginczek (7 Tore) und Fin Bartels (4 Tore). In Ingolstadt konnte keiner von beiden die sich bietenden Chancen - Bartels scheiterte zweimal knapp aus der Distanz - verwerten. So stehen auch nach dem 19. Spieltag nur 18 Treffer auf der Habenseite. Viel zu wenig. Selbst in der Bundesligaabstiegssaison 2001/2002 hatte St. Pauli als Tabellenletzter am 19. Spieltag mehr Tore geschossen.

Und doch wäre die zur Gewohnheit gewordene Torflaute vor allem in der ersten Halbzeit fast durchbrochen worden. In der 14. Minute spielte Patrick Funk einen wunderbaren Pass in die Spitze, den sich der aus dem Halbfeld gestartete Christopher Buchtmann erlief, Ingolstadts Torhüter Özcan umkurvte und ein reguläres Tor erzielte. Sein erstes, das erste eines der neuen offensiven Mittelfeld-Talente, noch dazu in der ersten Viertelstunde. Es hätte das Ende vieler kleiner Negativrekorde sein können, das dem FC St. Pauli ein besseres Gefühl mit in die Weihnachtszeit gegeben hätte. Doch Referee Drees und sein Assistent hatten unverständlicherweise eine Abseitsstellung gesehen und boten damit den Stein des Anstoßes für Frontzecks Ärger. "Wir werden sicher nicht bevorteilt im Moment was die Schiedsrichterentscheidungen angeht", formulierte der Coach zurückhaltend und erinnerte an das Spiel in Braunschweig (0:1) als Fin Bartels mit dem ersten Foul der Partie die Rote Karte sah und ein ebenfalls regulärer Treffer seiner Mannschaft nicht gegeben wurde. "Das sind spielentscheidende Szenen, und ich hoffe, dass sich das Blatt im nächsten Jahr mal wendet."

Nach genau 50 Tagen ohne Pflichtspiel soll das Blatt zum Rückrundenstart am 3. Februar endgültig gewendet sein. Vom schlechtesten Start der Vereinsgeschichte und einem Abstiegsrang hin zu einem funktionierenden - und torgefährlichen - Kollektiv im gesicherten Mittelfeld mit Blick nach oben. "Wenn uns zu dem Zeitpunkt, als es ganz mies war, jemand gesagt hätte, dass wir mit 22 Punkten in die Winterpause gehen, wären wir wahrscheinlich beruhigt gewesen", sagte Florian Kringe. "Jetzt ist es etwas ärgerlich, dass es nicht 24 sind. Aber wir haben heute gesehen, dass es uns vorne an Entschlossenheit fehlt." Abwehrchef Markus Thorandt ergänzte: "In der Rückrunde wollen wir noch mal angreifen, in dem Sinne, dass wir mehr Punkte holen."

St. Pauli hat sich vom Schreck der ersten Spieltage erholt, viel mehr als Thorandt fordert wird allerdings auch nicht drinstecken in der Rückrunde. Die Mannschaft hängt im Niemandsland der Zweiten Liga fest, wenn nichts Außergewöhnliches passiert. Mit dem Abstieg sollte die Mannschaft dem derzeitigen Leistungsstand nach nichts zu tun haben, nach ganz oben ist der Weg jedoch auch zu weit. Die Rückrunde dient also vor allem dazu, den im Sommer vollzogenen Umbruch zu vollenden, die Mannschaft zu einem eingespielten Kollektiv zu formen und den jungen Spielern Selbstvertrauen zu geben und sie zu verbessern. Kurz: zur Vorbereitung auf die nächste Saison.

"Es gibt noch viel Arbeit", hat auch Frontzeck erkannt. "Die Mannschaft muss effektiver werden und sich belohnen. Aber 15 Punkte aus zehn Spielen sind ordentlich." Insgesamt ist der Aufwärtstrend seit dem Trainerwechsel deutlich zu erkennen - aus den 15 Punkten hätten mit glücklicheren Schiedsrichterentscheidungen auch 18 werden können. Doch Vorsicht: Der Rückrundenstart ist schlechter gelungen als der Saisonstart. Da holte St. Pauli aus den Spielen gegen Aue und Ingolstadt zwei Punkte. Aber Schwamm drüber.