Der 48-Jährige wird neuer Trainer des FC St. Pauli und verbreitet im Klub bereits vor seinem Amtsantritt Hoffnung auf das Ende der Krise.

Hamburg. Rachid Azzouzi war die Freude und Erleichterung deutlich anzusehen, als er gestern auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli auftauchte. Kurz zuvor hatte er ein letztes Telefonat geführt und einen Erfolg erzielt. Als er die Nachricht verkündete, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Der FC St. Pauli hat eine Woche nach der Beurlaubung von André Schubert einen neuen Trainer gefunden: Michael Frontzeck, 48, wird vom kommenden Montag an das Training leiten und versuchen, die Mannschaft, die nach dem schlechtesten Zweitligastart der Vereinsgeschichte derzeit auf dem 15. Tabellenplatz ihren Ansprüchen weit hinterherhinkt, zurück in die Spur zu führen. Der ehemalige Trainer von Borussia Mönchengladbach, der vor 18 Monaten nach einer 1:3-Niederlage am Millerntor von seinen Aufgaben bei den Rheinländern entbunden worden war, bekommt einen Vertrag bis Juni 2014.

Am Dienstag hatte es ein Treffen in der Geschäftsstelle des FC St. Pauli gegeben, bei dem neben Azzouzi und Frontzeck auch das Vereinspräsidium zugegen gewesen war. Nach einer Nacht Bedenkzeit gab Frontzeck dann seine Zusage. Auch mit dem derzeitigen Trainer-Dreigestirn Thomas Meggle, Timo Schultz und Matthias Hain saß der neue Trainer bereits zusammen, um "wesentliche Eckpunkte der künftigen Zusammenarbeit" zu besprechen, wie Azzouzi erklärte. An den Co-Trainern hält St. Pauli also fest. Sie sind es auch, die am Freitag der Mannschaft für das Spiel gegen Union Berlin (18 Uhr, Millerntor) Selbstvertrauen einflößen und den Weg ebnen sollen für die Arbeit des neuen Mannes, der am Sonnabend im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wird. Bis dahin war keine Stellungnahme des neuen Coachs zu bekommen.

"Das Spiel am Freitag hat Priorität", begründete Azzouzi die Entscheidung. "Die Mannschaft soll sich nur darauf konzentrieren. Alles andere macht so kurz vorher keinen Sinn. In nur zwei Trainingseinheiten kann man nichts bewegen, und ein sofortiger Beginn könnte die hohe Konzentration, die die Mannschaft in den vergangenen Trainingseinheiten an den Tag gelegt hat, berühren." Nach dem Spiel am Freitag hat Frontzeck, der einer von vier favorisierten Kandidaten des FC St. Pauli war, dann zwei Wochen Zeit, die Mannschaft kennenzulernen, sich an die Abläufe im Verein zu gewöhnen und sich ein dezidiertes Bild von der Leistungsfähigkeit der Spieler zu machen, bevor er beim SC Paderborn seinen Einstand auf der Trainerbank geben wird.

Mit Michael Frontzeck kommt ein Trainer ans Millerntor, der auf große Erfolge und eine langjährige Karriere als Spieler zurückblicken kann. Er lief 436-mal in der Bundesliga auf, wurde mit dem VfB Stuttgart deutscher Meister und mit der Nationalmannschaft 1992 Vize-Europameister. Bei seinen bisherigen Trainerstationen in Aachen, Bielefeld und Mönchengladbach konnte er als Erfolg allerdings nur den verhinderten Bundesliga-Abstieg mit Bielefeld verbuchen. In Aachen trat er nach dem letzten Spieltag der Bundesliga-Saison nach einer 0:4-Pleite gegen den HSV und dem damit verbundenen Abstieg noch selbst zurück, bei der Arminia und in Gladbach wurde er jeweils in der zweiten Saison entlassen. Seine Bilanz liest sich nicht besonders positiv: Von 137 Bundesliga-Spielen, die er als Trainer auf der Bank saß, gewann er lediglich 29.

Auf derartige Zahlen legte Azzouzi bei seiner Entscheidungsfindung jedoch keinen großen Wert. Der Sportchef des FC St. Pauli holte stattdessen fleißig Erkundigungen ein, sprach mit alten Weggefährten Frontzecks, zu denen auch Mathias Hain und Marius Ebbers gehören, die in Bielefeld und Aachen unter Frontzeck spielten. Die Recherchen ergaben ein äußerst positives Bild. St. Paulis Manager ließ sich davon überzeugen, dass Frontzeck, der zu Beginn seiner Karriere als Co-Trainer von Hans Meyer und Ewald Lienen arbeitete und seine Ausbildung zum Fußballlehrer im Jahr 2000 mit Auszeichnung abschloss, zum Verein passt, dass er sowohl die sportliche Kompetenz als auch die richtigen Charaktereigenschaften mitbringt, um den Erfolg zurückzubringen: Feuer und Leidenschaft, Authentizität und eine natürliche Autorität auf der einen Seite, aber auch die Ruhe, mit Drucksituationen fertig zu werden. Frontzeck bringt die Erfahrung von fünf Spielzeiten im Abstiegskampf der Bundesliga mit.

Die Motivation, sein erstes Engagement bei einem Zweitliga-Klub anzutreten, ist naheliegend, schließlich ist er seit eineinhalb Jahren arbeitslos. Zusätzlich dürfte der Umstand, dass Frontzeck im Trainerzirkus den Beweis schuldig ist, eine Mannschaft nach oben führen zu können, dafür sogen, dass er all seine Kraft und Konzentration der neuen Aufgabe widmet. Das Gesamtpaket Frontzeck passt, so entschied es jedenfalls die Vereinsführung. Der Rheinländer hat bei den Hamburgern Eindruck hinterlassen und sorgt dafür, dass sich schon vor seinem Amtsantritt so etwas wie Aufbruchstimmung ausmachen lässt. Die Hoffnung auf ein Ende der Krise ist groß, und der Ruck, der eigentlich schon nach Schuberts Entlassung durch die Mannschaft hatte gehen sollen, wird für Freitag erwartet - auch wenn der Einfluss Frontzecks bis dahin gleich null ist.