St. Paulis Vizepräsident Bernd-Georg Spies spricht im Abendblatt-Interview über die Notwendigkeit, die Struktur des Vereins zu verändern.

Hamburg. Er hat sich einiges gefallen lassen müssen. Trotz herausragender Bilanzen sah sich Bernd-Georg Spies mit seinen Präsidiumskollegen auf der Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli vor einer Woche teilweise heftiger Kritik gegenüber. Nun spricht der 56-Jährige über Konsequenzen, eine mögliche Ausweitung der Anleihe und stößt die Diskussion über eine neue Organisationsform für den Klub an.

Hamburger Abendblatt: Haben Sie bereits alle Weihnachtsgeschenke besorgt?

Bernd-Georg Spies: Nein, ich war bis vor wenigen Tagen noch gar nicht in Weihnachtsstimmung.

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Eine Empfehlung hat das Präsidium mit der Anleihe ja bereits abgegeben.

Spies: Ja, und bei mir zu Hause freuen sich auch schon alle auf die Weihnachtsanleihe. Ich habe noch nicht gezeichnet, aber werde das noch tun.

Sie sollten sich beeilen. Das Volumen dürfte bald ausgeschöpft sein, zumal Gespräche mit einem möglichen Millionen-Investor laufen.

Spies: Die Anleihe ist ein sensationeller Erfolg, in der Tat. Sie ist keine drei Wochen alt und wurde bereits für 4,6 Millionen Euro gezeichnet. Ich kann jedem potenziellen Zeichner versprechen, dass wir einen Weg finden werden. Niemand muss Angst haben, dass er sein Geld bei uns nicht anlegen kann und ohne Weihnachtsgeschenk dasteht. Aber bevor wir über eine Ausweitung sprechen, sollten wir zunächst das Sechs-Millionen-Volumen auch tatsächlich füllen. Dass es bislang nicht die Großkopferten, sondern viele normale Fans waren, die investiert haben, zeigt ein Grundvertrauen in das, was wir vorhaben.

Anerkennung, die Ihnen auf der JHV verwehrt blieb.

Spies: Ich gehe nicht zur JHV, um mir Streicheleinheiten abzuholen. Allerdings sollten wir die Frage, wie wir zukünftig miteinander umgehen wollen, noch einmal vertiefen. Ich suche keine Lobhudeleien, doch der Ton macht die Musik. Vor allem die Kritik an Geschäftsstellenmitarbeitern war nicht zulässig. Die Kollegen sind Gold wert.

Hat Sie die Schärfe gewundert?

Spies: Ich glaube, dass es bei uns dieses Gefühl gibt: die da oben und wir da unten. Das hat ja eine Vorgeschichte im Klub. Es gab vor uns aber kein Präsidium, das mehr mit der Fanszene und ihren Gremien gesprochen hat als wir.

Weshalb haben Sie es dann nicht geschafft, die Streitpunkte vorab zu klären?

Spies: Vielleicht hätten wir noch mehr Gespräche führen müssen, aber da geht es um Grundsatzpositionen, und für diese ist eine JHV ja auch da. Dass wir nicht immer gewinnen, ist klar.

Die Mitglieder haben entschieden, A- und B-Junioren anders als von Ihnen gewünscht im ideellen Bereich zu belassen.

Spies: Die AFM ist groß und wichtig. Aber gibt es ein Vereinsinteresse, oder haben wir 16 Abteilungen, die ihr Ding machen? Und zu sagen, dass U 19 und U 17 immer zum ideellen Bereich gehörten und deshalb die nächsten 50 Jahre dort bleiben - darüber möchte ich mit der AFM noch mal reden.

Wie sehr ärgert Sie die Entscheidung?

Spies: Das Steuerpreisschild, das da dranhängt, beträgt etwa 375 000 Euro jährlich. Richtig wehgetan hätte es, wenn Anträge wie der Rückbau von Business-Seats oder die Aussetzung des Stadionbaus durchgegangen wären. Da hätten wir bestehende Vereinbarungen brechen müssen, etwa bei unserem Kreditgeber. Wir haben uns mit Geduld den Ruf als verlässlicher Gesprächspartner erarbeitet. Das sollten wir nicht zerstören. Mit Mörtel und Backstein sind wir bei den Infrastrukturprojekten auf gutem Weg. Dat löppt. Gerade deshalb sollten wir Ideen entwickeln, wie wir uns für die Zukunft aufstellen.

Mit einer Ausgliederung der Profis?

Spies: Ich mag diesen Begriff nicht. Es geht nicht darum, im Sinne der 50+1-Regel auszugliedern und einem weißrussischen Investor Tür und Tor zu öffnen. Aber wir müssen andere Organisationsformen finden, bei denen der Verein sich wiedererkennt, wenn er in den Spiegel schaut. Mit einer Variante aus dem Handbuch für Manager geht es nicht. Ich möchte eine Lösung, dass der wirtschaftliche Bereich den Verein und seine Abteilungen nicht negativ beeinflussen kann. Auch die Struktur der Geschäftsstelle muss auf den Prüfstand. Der Verein ist enorm gewachsen und kommt mir vor wie ein Jugendlicher, der aus seinem Anzug herausgewachsen ist. Wir sind Opfer unseres sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgs.

Wer schneidert den neuen Anzug?

Spies: Aufsichtsrat und Präsidium werden sich jetzt Gedanken machen und einen Strategieprozess in Gang setzen.

Kann ein ehrenamtliches Präsidium den Anforderungen noch nachkommen? Oder ist es zur reinen Kontrollinstanz der Geschäftsleitung verkommen?

Spies: Wir haben keinen Mangel an operativen Aufgaben, aber die aktuelle Situation ist aufgrund der hohen Arbeitsbelastung nicht leicht. Ich sehe die Grenzen der Ehrenamtlichkeit.