Acht Jokertore bedeuten für St. Pauli den Bestwert in der Zweiten Liga und dokumentieren die große Offensivstärke des gesamten Kaders.

Hamburg. Die Zuschauer waren ungeduldig geworden. Nicht dass es Pfiffe oder Buhrufe am Millerntor gab, aber schon vor dem Seitenwechsel waren die sich häufenden Fehlpässe und Ballverluste im Spiel des FC St. Pauli gegen Dynamo Dresden von kollektiven "Uhhs" und Ohhs" begleitet worden. Als Dresden am Sonntag dann nach 66 Minuten auch noch mit 1:0 in Führung gegangen war, schien die Partie für viele entschieden. "Ich möchte alle bitten, geduldiger zu sein", richtete St. Paulis Trainer André Schubert nach dem 3:1 einen Appell an den eigenen Anhang: "Auch die Fans sollten nicht zu schnell nervös werden. Wir haben nicht viele ausgebuffte Spieler, die sich davon nicht beeinflussen lassen."

Unerfahrenheit und Sensibilität als Begründung - dabei hätte Schubert auch einfach auf die Statistik verweisen können, nachdem seine Mannschaft zum vierten Mal in dieser Saison ein Spiel gedreht hatte. Warten lohnt sich als Fan wie als Spieler des FC St. Pauli. Mit 19 Treffern erzielten die Hamburger mehr als die Hälfte ihrer 35 Tore im Schlussdrittel, und gleich achtmal waren Spieler erfolgreich, die beim Anpfiff noch auf der Reservebank Platz genommen hatten. Kein anderer Zweitligatrainer wechselt mehr Tore ein. Cock Sparrers "We're coming back", das zur zweiten Halbzeit am Millerntor aus den Boxen dröhnt, liefert die Hymne zum späten Erfolg und muss von den Gegnern mittlerweile als eindringliche Warnung verstanden werden. Auch nach Rückständen findet die Schubert-Elf ins Spiel zurück, weil Moral und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten braun-weiße Qualitätsmerkmale kennzeichnen - und die Joker stechen. "Einen Naki und einen Ebbers von der Bank zu bringen, zeugt schon von Qualität", weiß auch Schubert. Deniz Naki und Marius Ebbers - Sonntag trafen gleich zwei Einwechselspieler und verfestigten einen Trend. Sechs der letzten acht Treffer wurden von Jokern erzielt, die damit erheblichen Anteil am herbstlichen Höhenflug St. Paulis besitzen.

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Während die Abwehr von erheblichen Verletzungsproblemen gezeichnet ist, herrscht in der Offensive ein dichtes Gedränge um die vier Startplätze. Diesmal erhielt Petar Sliskovic auf dem Flügel den Vorzug vor Kevin Schindler und Florian Bruns, Dennis Daube wurde defensiv benötigt. In der Spitze setzte Schubert statt Naki von Beginn an auf Mahir Saglik. Der 28-Jährige hatte mit einem Doppelpack in Rostock auf sich aufmerksam gemacht - natürlich als Joker. "Deniz spielte zuletzt wie Mahir vorher und hätte sich im Training mehr aufdrängen können. Es ist eine Leistungsgesellschaft", begründet der Trainer, der am Freitag in Paderborn schon wieder umstellen dürfte: "Deniz hat eine Reaktion gezeigt. Reinkommen, Tor machen, Klappe halten! Weiter so!" Das Motto als Leitsatz für alle Offensiven.

Auch für Rouwen Hennings, der wie die Konkurrenten am liebsten von Beginn an spielen möchte, allerdings aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig die späten Treffer von der Bank sein können. 2010 verhalf er St. Pauli mit sieben Toren als Top-Joker der Liga zum Aufstieg. Aktuell führt Saglik das Ranking mit vier Toren vor Bochums Daniel Ginczek an. "Ich erwarte, dass persönliche Interessen am Spieltag hinten anstehen", sagt Schubert und fordert Geduld: "Wir alle haben eins gemeinsam: Wir wollen mit dem FC St. Pauli erfolgreich sein." Was letztlich für Trainer, Spieler und auch die Fans gilt.