FC St. Pauli: Schnelles Spiel, kurze Pässe und die meisten Tore der Zweiten Liga. Stanislawskis Plan geht auf.

Hamburg. Er hatte bereits häufiger davon gehört, wirklich geglaubt hatte er es aber nie. So war es für Uli Maslo an der Zeit, sich selbst ein Bild von der Entwicklung bei seinem Exklub zu machen. Nach zwölf Jahren kehrte er erstmals wieder zum FC St. Pauli zurück. Und die Reise aus Wattenscheid sollte sich lohnen. "St. Pauli spielt richtig tollen Fußball. Das ist ja kaum zu fassen", zeigte sich der 71-Jährige nach dem glanzvollen 2:2-Unentschieden gegen den MSV Duisburg am Sonnabend begeistert.

2:1 gegen Rot-Weiss Ahlen, 5:0 bei Alemannia Aachen und ein Remis gegen einen Aufstiegskandidaten, das bei 54-minütiger Unterzahl einem weiteren Sieg gleichkam - St. Pauli hat seinen Startrekord eingestellt. Sieben Punkte bedeuten Tabellenplatz zwei, 9:3 Tore die beste Differenz in der Liga, kein Team traf bislang häufiger.

Doch es sind nicht die Ergebnisse und Zahlen, die bundesweit für gesteigerte Aufmerksamkeit sorgen. Es ist die Art und Weise des Zustandekommens. "St. Pauli hat gegen uns hochklassigen Fußball zelebriert", sagt Aachens Trainer Jürgen Seeberger. "Die werden auch am Ende oben mitspielen", glaubt MSV-Coach Peter Neururer, "unglaublich, was bei St. Pauli abgeht." Die Konkurrenz zieht den Hut vor einer technisch versierten, eingespielten Elf und ihrem Trainer, dessen Handschrift bei jeder Ballstafette in übergroßen Lettern erkennbar ist. St. Paulis neue Spielkultur: ein Phänomen, das allerdings nur Außenstehende überraschen kann.

Seit der Amtsübernahme von Holger Stanislawski am 20. November 2006 hat bei den Hamburgern eine neue Zeitrechnung begonnen: Kurze Pässe statt "langer Hafer". Früh vermittelte der 39-Jährige seine Philosophie vom Offensivfußball. Der ehemalige Abwehrspieler lässt schnell, flach und direkt kombinieren. Sein Credo: Mutig und variabel sein, agieren, den Torabschluss suchen. "Wir sind Dienstleister in Sachen Fußball", erklärt er.

In der Konsequenz bedeutet das Attraktivität, der in den vergangenen zwei Jahren mit zunehmender Dauer immer häufiger auch der Erfolg beigefügt werden konnte. Die stete taktische Weiterentwicklung der Mannschaft und eine kluge Transferpolitik ebnen den Weg nach oben. Der Lernprozess greift und trägt Früchte, dem Aufstieg 2007 folgten ein neunter Platz 2008 und ein achter Platz 2009. Und 2010?

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Vieles scheint möglich. Neben dem Sinn für Spektakel haben nun auch alle im Team die Notwendigkeit einer kompakten, stabilen Defensive erkannt. Selbst in Unterzahl zog St. Pauli gegen Duisburg sein Pressing auf und eroberte so zahlreiche Bälle. "Die Torverhinderung fängt vorne an. Marius hat das bereits gegen Aachen sehr stark gemacht", lobt Abwehrchef Fabio Morena. Marius, Nachname Ebbers, hat verstanden und ist für die Mannschaft nun auch in der Rückwärtsbewegung wertvoll.

Und dann wird schnell umgeschaltet. Neuzugang Deniz Naki, der nach seinem fulminanten Saisonstart vom Verein keine Freigabe für die U-20-WM im September erhält, Charles Takyi und Florian Bruns wirbeln hinter Ebbers im Kreativzentrum, trafen schon jeweils mindestens einmal. Unterstützt werden sie von den Defensivkräften Fabian Boll, Matthias Lehmann und den Außenverteidigern. Die Balance stimmt. Ebenso wie die Mischung aus Jung und Alt im Kader, der nun auch in der Breite gut aufgestellt ist. Ausfälle wie bei Takyi, der nach seiner gelb-roten Karte eine empfindliche Geldstrafe zahlen muss, können ohne großen Qualitätsverlust kompensiert werden.

Beim FC St. Pauli passt vieles, im Moment vielleicht sogar alles, wie auch Ebbers findet: "Ich wüsste nicht, wer gegen uns in dieser Form besser spielen sollte."