HSV: Kein Team erzielte mehr Treffer als der Tabellenzweite - Labbadia setzt auf spielerische Qualität.

Hamburg. Als im Sommer Sportchef Dietmar Beiersdorfer seinen Platz nach dem Streit mit Vorstandsboss Bernd Hoffmann räumen musste, herrschte Skepsis. Skepsis, da sich fortan Hoffmann selbst um die Neuzugänge kümmern sollte und musste. Das schwache 1:1 zum Auftakt in Freiburg bestätigte Hoffmanns Kritiker. Bis auf Beiersdorfer. "Das ist noch mein HSV", nahm ausgerechnet der geschasste Sportchef seinen Kontrahenten in Schutz. "Die Neuzugänge sind noch von mir und unserer ehemaligen Scoutingabteilung zusammengestellt worden. Und wir sind auch weiter überzeugt von dem Kader."

Eine Aussage mit Weitblick. Immerhin spricht in diesen Tagen ganz Fußballdeutschland vom neuen Spaßfußball des HSV. Tabellenführer, mit neun Treffern die meisten Tore, dazu den deutschen Meister entzaubert und mit Zé Roberto sowie Eljero Elia die zwei bislang auffälligsten Neuverpflichtungen der noch jungen Bundesligasaison. Der HSV wird mit Adjektiven wie "überragend", "spektakulär" oder "meisterhaft" überschüttet und ist derzeit das Maß der Dinge.

Auch faktisch betrachtet. Dass der HSV die meisten Tore auf dem Konto hat, ist nur eine logische Folge. Denn mit 61 Torschüssen weisen David Jarolim und Co. den Liga-Spitzenwert vor Bochum (59) und Bremen (58) auf. Ebenso bei den Großchancen (14), wo Wolfsburg (12) und Dortmund (8) mit Abstand folgen. "Wir kreieren uns die Möglichkeiten, weil unsere Ausrichtung offensiver ist als letzte Saison und die Abläufe durch konzentriertes Training automatisiert werden", analysiert Toptorjäger Mladen Petric und spricht seinem Trainer Bruno Labbadia ein Lob aus: "Er ist sehr geduldig im Training, wiederholt sehr oft Abläufe und taktische Details. Das ist genauso oft nervig wie notwendig, um genau den Fußball zu spielen, den wir spielen wollen: offensiv."

Im Spiel gegen Meister Wolfsburg brachte der HSV den rekordverdächtigen Wert von 27 Torschüssen zustande. Waren es im Schnitt 15 in der Saison 2008/09, sind es aktuell 20 Torversuche im Schnitt. Selbst VfL-Kapitän Josué erkannte nach dem Spiel an: "Der HSV hat uns so unter Druck gesetzt, dass wir gar nicht an unser Spiel denken konnten. Wer so aggressiv spielt und so viel Potenzial im Team hat, der ist automatisch ein Meisterschaftskandidat", sagte der Brasilianer.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt neben der deutlich offensiver und spielerischer ausgelegten Trainingsarbeit vor allem in der technischen Qualität der Mannschaft. Mit David Rozehnal und, noch deutlicher, mit Jerome Boateng hat sich der HSV spielerisch in der Innenverteidigung verstärkt. Dazu kommt mit Zé Roberto einer der ballsichersten Spieler, sowie mit Elia einer der schnellsten und technisch stärksten Dribbler der Liga. Eingerahmt von Technikern wie Piotr Trochowski, Dennis Aogo, Guy Demel sowie den beiden Angreifern Paolo Guerrero und Mladen Petric besteht die erste Elf komplett aus "Edeltechnikern", Raubeine wie Nigel de Jong sind ebenso Vergangenheit wie über Athletik kommende Spieler wie Ivica Olic. "Unsere größte Qualität ist das Passspiel", sagt Petric - und wird unterstützt von der Statistik: Mit durchschnittlich 55 Prozent Ballbesitz ist nur Bayern (58) besser - mit sechs Toren in den ersten 15 Minuten niemand. Petric: "Uns bleibt bei so viel Qualität doch gar nichts übrig, als von der ersten Minute an gepflegten Offensivfußball zu spielen."

Dass dabei die Defensive vernachlässigt werden könnte, scheint kein Problem zu sein, obwohl noch kein Spiel zu null gespielt wurde. Abwehrchef Mathijsen: "Wenn wir 90 Minuten wie gegen Wolfsburg in der ersten Halbzeit und in den letzten 20 Minuten pressen, geraten wir gar nicht erst in Bedrängnis."

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