Der HSV-Sündenbock spricht erstmals über die Vorfälle im Training. Viel Hoffnung auf Gespräche zwischen Arnesen und Fink setzt er nicht.

Hamburg/Suwong. Am morgigen Donnerstag will Sportchef Frank Arnesen ins südkoreanische Trainingslager des HSV fliegen, auch um mit Trainer Thorsten Fink über Slobodan Rajkovic zu reden , der nach einer Handgreiflichkeit im Training suspendiert worden war. In der "Hamburger Morgenpost" ließ Arnesen am Dienstag für Rajkovic noch ein Hintertürchen offen, nur der Vorstand könnte den endgültigen Rauswurf beschließen. Was Trainer Fink nicht gefiel. In Suwong erklärte er, dass seine Entscheidung "eigentlich" gefallen sei: "Aber trotzdem werde ich mit meinem in Anführungszeichen Chef noch mal darüber reden." Dies könnte sich nach Lektüre dieses Interviews indes erledigt haben. Zum ersten Mal redet Rajkovic selbst öffentlich über den Vorfall.

Hamburger Abendblatt: Herr Rajkovic, sind Sie ein aggressiver Typ?

Slobodan Rajkovic: Nein. Ich bin auf dem Platz hart, das muss sein. Ich will immer gewinnen und würde für meine Mannschaft auch schummeln, wenn es sein muss. Ich gebe immer alles und ein bisschen mehr für meine Mannschaft. Genau das wollen die Trainer. Auch Thorsten Fink fordert das von mir. Das ist normal. Aber ich habe nie Probleme, mich im Griff zu haben.

Trotzdem wurden Sie jetzt wegen einer Schlägerei mit Ihrem Mannschaftskollegen Heung Min Son suspendiert. Haben Sie sich bei Son entschuldigt?

Rajkovic: Das wollte ich. Ich durfte aber nicht mal in seine Nähe, wurde aus der Kabine ausgesperrt. Ich wollte auch Tolgay Arslan sagen, dass es mir leid tut. Allerdings war es auch nicht der Streit mit Son, sondern lange vorher beschlossen, dass ich weg muss. Das hat mir der Trainer so bestätigt.

Wie ist Ihre Sicht?

Rajkovic: Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich wurde noch nie so oft und so lange angelogen. Dabei hätte der Trainer mir am Saisonende einfach nur sagen müssen, dass er mich nicht mehr braucht und ich mir einen neuen Verein suchen soll. Wir waren acht Monate fast jeden Tag auf dem gleichen Trainingsplatz und in derselben Kabine. Und nie kam ein Wort. Nie konstruktive Kritik, noch weniger Lob. Aber vor allem kam nie eine klare Aussage. Das wäre hart für mich gewesen, aber ich hätte Bescheid gewusst und hätte aufhören können, an mir zu zweifeln. Vor allem aber hätte ich die Achtung vor ihm bewahrt, weil er es wenigstens ehrlich kommuniziert. So habe ich hintenherum erfahren, dass der HSV mich verkaufen will. Es war sogar ein Tauschgeschäft mit Dynamo Moskau vom Verein vorgeschlagen worden, ohne dass mein Berater oder ich involviert waren. Ich wurde im Urlaub von Freunden angerufen, die sich gewundert haben, warum ich Hamburg verlasse. Das war schon hart, zumal ich nie wechseln wollte. Im Gegenteil. Ich habe erst vor ein paar Tagen Moskau trotz einer finanziellen Verdoppelung meines Gehaltes abgesagt. Weil Hamburg ein toller Verein ist. Hier wollte ich meine zweite Heimat finden.

Sie sprechen in Vergangenheitsform. Heißt das, das Kapitel HSV ist trotz Ihres Vertrages bis 2015 endgültig abgehakt?

Rajkovic: Ja. Sportchef Frank Arnesen will zwar noch mal mit dem Trainer sprechen, aber er hat auch gesagt, dass das wohl nicht viel an der Entscheidung ändern wird. Zumal Präsident Carl Jarchow bei meiner Suspendierung neben Fink saß. Und der Trainer hat mir gesagt, dass ich bei ihm kein Spiel mehr mache. Der Streit mit Son war nur ein willkommener Anlass. Die Sache war schon vorher klar. Das hat er mir in einem Vieraugengespräch auch gesagt. Ich habe ihn gefragt, ob er mich nicht mag. Und er antwortete: "Ja." Ich sei nicht sein Typ Spieler. Selbst das ist okay, Fußball ist eben auch Geschäft. Aber er hätte mir seine Entscheidung wie ein Mann mitteilen können und sie nicht wie ein Mädchen über Zeitungen lancieren müssen. Den Mut hatte er nicht mal im letzten Gespräch. Er schaute immer nur auf die Uhr, weil er los wollte, und sagte wieder nur, wie professionell ich mit meiner schwierigen Situation umgegangen sei und dass ich nur wegen des Streits mit Son suspendiert worden sei. Dabei gab es doch beim HSV ähnliche Vorfälle, bei denen nicht so reagiert wurde. Auch der Trainer hatte da seinen Fehltritt.

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Sie meinen dessen handfesten Streit mit Verteidiger Muhamed Besic?

Rajkovic: Ja. Der Trainer war damals sauer. Und das zu Recht. Er hatte die Laufgruppe, in der Besic und ich waren, immer wieder gefragt, wer beim Waldlauf damals nicht gelaufen sei. Nach dem dritten Mal fragen hat er sich mit Besic den jüngsten in der Gruppe geschnappt und übel am Hals gepackt. Der Trainer meinte zu mir, dass er eben der Trainer sei und ja auch nicht geschlagen habe. Aber ich habe ihm gesagt, dass er so ein ganz schlechtes Beispiel sei, auch wenn ich seine Reaktion verstanden habe. Weil er eben berechtigt sauer war. Ähnlich wie ich, nachdem ich Sonni dreimal gesagt hatte, das er schneller spielen solle und wir Tore brauchen. Geschlagen habe ich erst, als Sonni reagiert hat und mich treten wollte. Das war nicht gut, aber ich dachte, gerade der Trainer müsste das verstehen. Aber das wollte er nicht. Er sagte, ich hätte ihm sagen sollen, dass Sonni nicht zuhört.

Und das wollten Sie nicht?

Rajkovic: Mal ehrlich, was soll das? Normalerweise klären Spieler das unter sich. Wir sind erwachsen. Aber bei Fink bestätigt sich langsam das Gefühl, das einige haben, dass Selbstständigkeit nicht erwünscht ist. Es wird immer populistisch eine Hierarchie gefordert - aber hier wird alles von außen gesteuert. Ich glaube auch, dass das der Grund sein könnte, weshalb wir keine Leader in der Mannschaft haben. Gleich nach dem Training hat der Trainer Interviews gegeben und seine Entscheidung mitgeteilt. Mir nicht. Bei mir hat sich selbst unser Oberfan Johannes Liebnau gemeldet. Der Trainer aber ewig nicht. Der hat mich öffentlich als Buhmann hingestellt und suspendiert. Noch bevor ich angehört wurde. Wenn ich das mit Bayern München vergleiche, wo sich Ribéry und Robben in der Kabine blaue Augen schlagen, der Verein die Spieler aber nach außen hin schützt und intern alles klärt, sagt das doch alles über Thorsten Fink. Trainer müssen viele Spieler bei Laune halten. Da kann man nicht immer alles sagen. Aber unser Trainer lügt. Er hat zwei Gesichter. Und leider sehen das in der Mannschaft schon einige so. Im Gegensatz zu mir wollen hier einige weg. Der HSV ist ein toller Klub. Aber jetzt wird es gefährlich, weil man dem Trainer zu viele Rechte einräumt. Wen er nicht will, den behandelt er schlecht. So wie mich beim Trainingslager in Österreich.

Meinen Sie wirklich, dass er das bewusst macht?

Rajkovic: Leider ja. Er hatte mir bis zum 12. Juli Urlaub gegeben, weil ich nach der Saison noch 15 Tage auf Länderspieltour war. Und plötzlich kommt am 5. Juli eine vom Trainer in Auftrag gegeben SMS von Teammanager Marinus Bester mit "Wo bist du?", woraufhin ich so schnell wie möglich ins Trainingslager nach Österreich fliege. Als ich dort ankomme, fragt mich Thorsten Fink nur: "Was willst du denn hier?" Spätestens da habe ich gemerkt, dass hier ein falsches Spiel mit mir gespielt wird. Und das geht nicht nur mir so. Ich sage es nur laut, weil das einem tollen Klub großen Schaden zufügen könnte.