Der HSV reist mit seinem Werbeträger ins einwöchige Trainingslager nach Südkorea - der Serbe hat dagegen bei Trainer Fink ausgespielt.

Hamburg. Die Szene hatte etwas Gespenstisches. Wo sonst bis zu 57.000 Menschen zu den HSV-Spielen strömen, war in der Stille nur ein Knallen zu hören, als der Ball vom Aluminium abprallte. Der Absender des Schusses, Slobodan Rajkovic, absolvierte am Sonntag im leeren Stadion mit Konditionstrainer Nikola Vidovic eine individuelle Einheit. Um 14.45 Uhr trotteten Spieler und Betreuer in den Bauch der Osttribüne. Während Vidovic rechts Richtung Mannschaftstrakt der Profis ging, bog Rajkovic links ab und betrat den Umkleideraum der U23-Auswahl, wo außer ihm niemand mehr war.

Gut fünf Stunden davor hatte Heung Min Son mit den anderen Spielern den Rasen der Imtech-Arena betreten und sich für ein vorläufiges Mannschaftsfoto zur neuen Saison aufgestellt. Genau in der Mitte postiert, strahlte der Südkoreaner in die Kamera, ganz so, als habe es das "Aufeinandertreffen" mit Rajkovic (fehlte auf dem Foto) am Freitag nie gegeben. Beim Training waren die Streithähne erst verbal, später mit Faust und Fuß aneinandergeraten. Der unbeteiligte Tolgay Arslan erlitt im Gemenge eine Platzwunde, die genäht werden musste.

Mit Son, der vor seinem Karatetritt provoziert worden war, ging der HSV-Vorstand gnädig um und sprach nur eine Geldstrafe aus. Rajkovic hingegen wurde "bis auf Weiteres" zu der Nachwuchsmannschaft beordert. Nach der Rückkehr aus Südkorea, so die kommunizierte Sprachregelung, werde man über die Zukunft des Serben entscheiden. Wie diese auszusehen hat, steht für Thorsten Fink jedoch schon fest. "Für mich ist klar, dass er nicht mehr zurückkehrt ", sagte der HSV-Trainer am Sonnabend. "So etwas geht nicht, man muss untereinander Respekt haben."

Ob die Trennung von Rajkovic zügig vonstatten gehen kann, muss abgewartet werden, schließlich ist viel Geld im Spiel. Erst im August 2011 war der Abwehrspieler für zwei Millionen Euro von Chelsea London verpflichtet worden. Für die Londoner, bei denen er seit Dezember 2005 unter Vertrag stand, hat der Serbe allerdings nie gespielt. Weil ihm keine Arbeitserlaubnis erteilt worden war, wurde Rajkovic erst an OFK Belgrad, dann an PSV Eindhoven, Twente Enschede und Vitesse Arnheim verliehen. Beim HSV unterschrieb er einen Vertrag bis Juni 2015 und soll bei den Hamburgern 1,5 Millionen Euro pro Saison verdienen.

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Rajkovic wollte sich gestern wie Son nicht zu seiner Unbeherrschtheit äußern, die nicht seine erste beim HSV war. Im Training hatte er sich schon einmal mit Marcell Jansen angelegt, in der Bundesliga sah er nach einem Ellenbogencheck gegen Kaiserslauterns Christian Tiffert die Rote Karte. Unvermögen demonstrierte er beim 0:4 gegen Stuttgart, als er zwei Elfmeter verschuldete und dabei gegen Martin Harnik wieder den Ellenbogen einsetzte. Auffällig wurde Rajkovic vor seiner HSV-Zeit 2008 in Peking: In der Olympia-Mannschaft Serbiens soll der Verteidiger während der 0:2-Niederlage gegen Argentinien den Schiedsrichter bespuckt haben und wurde zunächst ein Jahr gesperrt. Das Strafmaß wurde später auf internationale Spiele reduziert. Rajkovic bestreitet den Vorfall bis heute.

Für Son ging das Leben nach der Trainingsprügelei ganz normal weiter. Am Sonnabend konnte er nicht verhindern, wie sich der HSV nach Kräften gegen Viertligaklub Holstein Kiel blamierte und nur zu einem 1:1 kam. Wie zuletzt brachte Fink ihn auf der rechten Außenbahn, wo er aber nur einmal dadurch auffiel, dass sein Gegenspieler plötzlich umfiel. Keine Tätlichkeit, entschied der Schiedsrichter.

Fest steht, dass der 20-Jährige in dieser Woche der mit Abstand gefragteste Spieler des HSV sein wird. Um 8.40 Uhr fliegt das Team über München nach Seoul. Nach der Ankunft um 5.30 Uhr Ortszeit geht es weiter nach Suwon, wo am Mittwoch auch das erste Testspiel gegen Suwon Samsung II ansteht.

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"Ich freue mich sehr auf die Reise mit der ganzen Mannschaft", sagte Son, der seine Mitspieler auch schon mit vielen Verhaltensregeln versorgte: "Das Wichtigste ist: Immer nur lachen, freundlich sein, dann kann man schon nicht mehr so viel falsch machen."

Neben zwei PR-Terminen für Adidas in Seoul und bei der Eröffnung einer Fußballschule, der Vater Son als technischer Direktor vorsteht, werden die Augen vor allem beim Peace-Cup am Freitag und Sonntag auf Son junior gerichtet sein. In Suwon, dem WM-Stadion von 2002 mit einer Kapazität von 43 900 Zuschauern, spielt der HSV, der eine Antrittsgage von 500 000 Euro erhält (plus Reisekosten), um eine Siegprämie von einer Million Euro. Gegner im Halbfinale ist der FC Groningen, im Endspiel ginge es gegen den Sieger der Partie Seongnam IFC gegen Premier-League-Klub AFC Sunderland.

Während Sportchef Frank Arnesen kurzfristig auf die Reise nach Südkorea verzichtet, werden die Vorstände Carl Jarchow und Joachim Hilke in Seoul Sponsorenpflege (Hanwha-Solar und Kumho Tyres) betreiben und sich auf die Suche nach neuen Geldgebern begeben. Auch ein Trip in die Hafenstadt Busan, mit der die Stadt Hamburg enge Kontakte pflegt, ist geplant.

Montagabend landen Son und Co. dann wieder in Hamburg, ein Tag später steht das Freundschaftsspiel gegen Barcelona an. Dass sich Son und Rajkovic vor oder nach dem Spiel begegnen, ist unwahrscheinlich. Die U23 von Rodolfo Cardoso hält sich dann im Trainingslager in der Nähe von Wolfsburg auf.

HSV in Kiel: Adler - Diekmeier (70. Lam), Bruma (46. Mancienne), Besic, Sternberg (70. Aogo) - Sala (70. Westermann), Steinmann (46. Nörgaard) - Beister (70. Jansen), Tesche (70. Arslan), Son (46. Chrisantus) - Rudnevs (70. Berg). Tore: 1:0 Beister (32.), 1:1 Gebers (81.). Zuschauer: 6085.