Der neue Sportchef zahlt 100.000 Euro aus eigener Tasche an Karlsruhe, der HSV überweist 400.000 Euro. Hinzu kommt außerdem ein Freundschaftsspiel.

Hamburg/Karlsruhe. Die Nachricht, auf die Oliver Kreuzer mehr als zehn Tage warten musste, erhielt der 47-Jährige spät in der Nacht zu Sonntag per SMS. Der Karlsruher SC, sein KSC, würde das finale Angebot des HSV annehmen, ließen KSC-Präsident Ingo Wellenreuther und Vize Günter Pilarsky ihren von Hamburg umworbenen Noch-Sportchef per Kurzmitteilung wissen. Das andauernde Poker um den Wechsel Kreuzers zum HSV fand am folgenden Morgen sein Ende, als Hamburgs Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Ertel auf der Mitgliederversammlung des HSV offiziell bestätigte: "Wir freuen uns, dass Oliver Kreuzer unser Sportchef wird." Um exakt 11.11 Uhr war die Verpflichtung Kreuzers somit amtlich. Helau und Alaaf!

Tatsächlich hatten die andauernden Verhandlungen um den Nachfolger des vor knapp zwei Wochen entlassenen Frank Arnesen in den vergangenen Tagen durchaus karnevaleske Züge angenommen. So hatte Wunschkandidat und DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig dem HSV bereits abgesagt, noch bevor Arnesen offiziell aus dem Amt enthoben wurde. Übrig blieben auf der Kandidatenliste Hannovers Ex-Manager Jörg Schmadtke und eben Kreuzer, die sich dem HSV-Aufsichtsrat am 23. Mai in einem Hotel am Hamburger Flughafen präsentierten. Das traditionell kritisch beäugte Elfergremium einigte sich noch am selben Abend "mit großer Mehrheit" auf Kreuzer - mit dem Haken, dass er noch einen laufenden Vertrag beim KSC hatte.

Was folgte, war ein öffentliches Hin und Her zwischen den Verantwortlichen des KSC und HSV, das in einer Elefantenrunde am Sonnabend im Berliner Bundespresseamt gipfelte. Dort verhandelten Ertel, dessen Aufsichtsratskollege Christian Strauß sowie HSV-Chef Carl Jarchow mit den Karlsruhern Wellenreuther, Pilarsky und Vorstandsmitglied Georg Schattling mehr als vier Stunden, ehe man sich vertagte. Erst im Anschluss an das Pokalfinale zwischen Bayern und Stuttgart entschloss sich das KSC-Präsidium schließlich, Sportchef Kreuzer für eine fürstliche Ablöse ziehen zu lassen. Die Zahlen: Der KSC erhält 650.000 Euro (400.000 Euro direkt vom HSV, 50.000 Euro von Kreuzer, der zudem auf 50.000 Euro Gehalt verzichtet und schließlich noch bis zu 200.000 Euro aus einem Freundschaftsspiel), dazu könnte es noch einen erfolgsbedingten Nachschlag von 25.000 Euro bis maximal 300.000 Euro (für das Erreichen der Champions League) geben. Am 11. Juni darf Kreuzer in Hamburg starten, am Mittwoch soll er in Hamburg präsentiert werden.

Am Ende eines regelrechten Verhandlungsmarathons bleibt nur noch eine Frage offen: Ist Kreuzer so viel Geld eigentlich wert? In Karlsruhe wird die Frage zumindest auf persönlicher Ebene mit einem eindeutigen "Ja" beantwortet. So sparten neben den Präsidiumsmitgliedern auch KSC-Cheftrainer Markus Kauczinski, Pressesprecher Jörg Bock und Chefscout Lothar Strehlau in Abendblatt-Gesprächen nicht mit Lob. "Was Oliver auszeichnet, ist sein Erfolgswille, den er schon als Spieler an den Tag legte, seine große Teamfähigkeit und auch sein menschlicher Umgang mit anderen", schwärmt Strehlau. Kauczinski lobt die angenehme Zusammenarbeit und Kreuzers "unglaubliches Netzwerk in ganz Europa", und Bock unterstreicht, dass Kreuzer "die Arbeit des Trainers genauso wie die der Wäschefrau gewürdigt" hätte. Die Frauen auf der Geschäftsstelle sollen vom "Womanizer" regelrecht begeistert gewesen sein.

So weit, so gut. In Hamburg, das sollte Kreuzer klar sein, muss er mehr bieten als nur die Damen der Geschäftsstelle zu beeindrucken. Sportlich konnte er in Karlsruhe zwar den Wiederaufstieg in die Zweite Liga als seinen Erfolg verbuchen, allerdings musste er diesen teuer bezahlen. So stellte Kreuzer im Sommer eine völlig neue Mannschaft für die Dritte Liga zusammen, bei der sich kostspielige Zugänge wie Karim Benyamina oder Dennis Cagara als Flops entpuppten. Ähnlich wie beim HSV, bei dem Arnesen zum Ende der Transferperiode teuer nachrüstete, musste auch Kreuzer mit den spät verpflichteten Koen van der Biezen und Dominic Peitz nachbessern. Der Sportchef überzog das verabredete Budget um rund eine Million Euro, was dem KSC-Präsidium Ärger mit dem Verwaltungsrat einbrachte. Einen regelmäßigen Austausch mit den Gremien, den Kreuzer in Hamburg zwangsläufig suchen muss, ist er aus Baden gewohnt.

Als beste Personalentscheidung Kreuzers wird in Karlsruhe kurioserweise ein Hamburger gefeiert. So schaffte es der frühere Profi von Bayern München, der nach seiner aktiven Karriere auch in der Schweiz (FC Basel) und in Österreich (Red Bull Salzburg und Sturm Graz) als Verantwortlicher Erfahrungen sammeln durfte, den heftig umworbenen Hakan Calhanoglu für 2,5 Millionen Euro an den HSV zu verkaufen, ihn aber für eine weitere Saison in Karlsruhe auf Leihbasis zu halten. Der Coup: Das Gehalt Calhanoglus, der den KSC mit 17 Toren in die Zweite Liga schoss, wurde in der vergangenen Saison sogar vom HSV bezahlt. Und obwohl der KSC im Zuge des Kreuzer-Pokers Calhanoglu noch für ein Jahr halten wollte, wird das Drittliga-Talent als eine Art Hoffnungsträger light in diesem Sommer endgültig nach Hamburg wechseln. Gleiches gilt seit Sonntag auch für Kreuzer selbst.