Sechs Jahre lang spielte der Rechtsverteidiger in Bremens Jugend, träumte aber von einem Engagement bei seinem HSV. Ein Hausbesuch.

Achim/Hamburg. Wer die Autobahnabfahrt 52 auf der A 1 von Hamburg Richtung Süden nimmt, der wird schnell merken, wo man da eigentlich gelandet ist. Das niedersächsische Städtchen Achim, 30.258 Einwohner, ist die größte Gemeinde im Landkreis Verden, und die Nähe zu Bremen ist bereits am Ortseingang nicht zu übersehen. Gleich in mehreren Vorgärten wehen grün-weiße Werder-Bremen-Fahnen, vor dem Nordderby am Sonntag (15.30 Uhr) will man hier im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zeigen. "Natürlich liegt Achim mitten im Werderland, aber wir HSVer lassen uns hier nicht unterkriegen", sagt Klaus-Dieter Kadow, dessen Vater HSV-Sympathisant war, der selbst immer HSV-Fan war und dessen Sohn schon aus beruflichen Gründen großer HSV-Anhänger sein muss und will.

Kadow ist der Vater von HSV-Profi Dennis Diekmeier, der als Kind sechs Jahre lang in der Jugend bei Werder Bremen spielte, ehe er über den 1. FC Nürnberg schließlich 2010 zum HSV wechselte. "Als klar war, dass Dennis tatsächlich zum HSV gehen würde, da waren wir natürlich unglaublich stolz auf ihn", sagt Kadows Ehefrau Heidi, die immer noch die Einzige ist, die ihrem Dennis die Haare schneiden darf.

Mama und Papa Diekmeier sitzen in der Küche ihres Rotklinkerhäuschens in Achims Freudenthalstraße. 14 gerahmte Bilder oder Kalenderblätter von Diekmeier im Nürnberg-, Bremen- und HSV-Trikot hängen an den Wänden. Auf einem Teller liegen ein paar Leckereien, Schokolade und Schaumküsse, bereit, es gibt Gute-Laune-Tee, und in die Mitte des Tisches legt Heidi Diekmeier behutsam einen weißen Aktenordner mit zahlreichen Presseartikeln über ihren Sohn.

"Besonders aus seiner Zeit bei Werder haben wir alles aufgehoben", sagt die 65-Jährige und zeigt auf ein Mannschaftsfoto mit dem damals 15 Jahre alten Dennis. Es wurde kurz vor dem U15-Finale um die norddeutsche Meisterschaft aufgenommen, im Endspiel spielten - natürlich - Werder und der HSV. "Dennis hätte schon damals lieber für den HSV gespielt, aber das durfte man zu der Zeit ja nicht zu laut sagen", sagt Papa Klaus-Dieter, 62, der das Nordderby am Sonntag kaum erwarten kann: "Wir werden zu sechst hinfahren und Dennis die Daumen drücken."

Am nächsten Vormittag, zurück in Hamburg, muss Diekmeier über den Hamburg-Patriotismus seines Vaters lachen. "Mein Papa war schon immer fußballverrückt. Ich konnte gar nicht anders, als auch HSV-Fan zu werden", sagt der Profifußballer, der als Zehnjähriger sein erstes HSV-Trikot, ein Roy-Präger-Jersey, zu Weihnachten bekam. Diekmeier sitzt im VIP-Bereich der Imtech Arena, schaut aus dem Fenster auf die Trainingsplätze und versucht sich daran zu erinnern, wie damals alles anfing. Werder habe ihn schon als Zwölfjährigen vom TSV Verden, wo er als Stürmer einmal 22 Tore in einem Spiel erzielt hat, holen wollen. "Das war mir zu früh", sagt der heute 23-Jährige, "zwei Jahre später bin ich aber doch nach Bremen gegangen."

Die Ausbildung bei Werder habe er, damals schon HSV-Fan, nie bereut. "Die Jahre in Bremen haben mir gutgetan. Schade nur, dass es am Ende dann doch Ärger gegeben hat", sagt Diekmeier, der nach dem EM-Titel mit Deutschlands U19 von einem auf den anderen Tag in der ganzen Bundesliga umworben war, "Werder hatte einfach verpennt, meinen Vertrag zu verlängern. Ich bin dann zum 1. FC Nürnberg gewechselt, wo sich Michael Oenning und Martin Bader sehr um mich bemüht haben."

Oenning war es auch, der den vom Stürmer zum Rechtsverteidiger umgeschulten Sprinter nach nur anderthalb Jahren im Süden zurück in den Norden zum HSV holte. "Für mich und auch für meinen Vater ist durch das Angebot des HSV ein großer Traum in Erfüllung gegangen", sagt Diekmeier, der sich gut 100 Kilometer nördlich von Achim längst heimisch fühlt. Mit Frau Dana und Töchterchen Delani wohnt er nun in Pinneberg, wo er fast jeden Sonntag Besuch von Mama Heidi und Papa Klaus-Dieter aus der Heimat bekommt.

Vor dem Derby gegen Werder, aus dessen Mannschaft Diekmeier aus Jugendzeiten noch Philipp Bargfrede und Torhüter Sebastian Mielitz kennt, braucht den gebürtigen Niedersachsen aber ohnehin niemand zusätzlich zu motivieren - auch nicht sein Vater. "Wenn ich eines überhaupt nicht mehr abkann, dann ist das, wenn Werder Bremen in unserem Stadion feiert", sagt Diekmeier, dessen Vater es nicht besser hätte sagen können. Mit dem HSV hat er noch nie auch nur einen Punkt gegen seinen Ex-Verein geholt, was der ehemalige Jugend-Nationalspieler, der im Nordderby auf den früheren Hamburger Eljero Elia trifft, unbedingt schon an diesem Sonntag ändern will.

Mit großem Interesse dürfte das Duell auch in Achim verfolgt werden. Dort wie hier gilt am Sonntag, wie es Diekmeiers Vater so treffend formuliert hat, nur eines: "Wir HSVer lassen uns nicht unterkriegen."