Sowohl die umstrittene Ticketbörse als auch der Verein haben den Vertrag gekündigt. Die Dauerkartenpreise werden wieder erhöht.

Hamburg. Am frühen Dienstagabend war Steve Roest so richtig in Feierlaune. Der Viagogo-Manager erlaubte sich sogar ein Gläschen Champagner, um mit den Verantwortlichen des VfB Stuttgart auf die neue Partnerschaft zwischen der Internet-Ticketbörse und dem Bundesligaklub aus dem Ländle anzustoßen. "Diese weitere Partnerschaft bestätigt einmal mehr, dass unser Service sowohl den Vereinen als auch den Fans der Bundesliga eine Vielzahl an Vorteilen bietet", sagte der Engländer, ehe er zum Flughafen eilte, um den letzten Flieger nach London nicht zu verpassen. Für Roest war es der versöhnliche Abschluss eines langen Tages, der für ihn alles andere als nach Wunsch begonnen hatte.

Am Morgen hatte Roest auf seiner Reise von London nach Stuttgart einen Zwischenstopp in Hamburg eingelegt, um beim Termin mit dem Abendblatt im Flughafenhotel Radisson Blu die aus seiner Sicht "größte Enttäuschung des Jahres" zu erläutern, die er anschließend um Punkt 12.30 Uhr per Pressemittelung kommunizierte. "Die Viagogo AG hat sich entschieden, den bestehenden Vertrag mit dem HSV zu kündigen", hieß es in der Mitteilung, die besonders beim bisherigen Vertragspartner auf Verwunderung stieß. Denn fast zeitgleich hatte auch der HSV über seine Homepage verbreiten lassen, dass er die umstrittene Kooperation "nach intensiven Gesprächen mit der Mitgliedschaft" zum 31. Juli 2013 gekündigt habe. Damit endet nun das Vertragsverhältnis, das dem Schweizer Unternehmen offiziell gestattete, HSV-Eintrittskarten mit bis zu 100 Prozent Aufschlag im Internet zu verkaufen, wie es begonnen hatte: als großes Missverständnis.

"Neben der nachvollziehbaren wirtschaftlichen Enttäuschung bin ich auch persönlich vom HSV enttäuscht, da ich zwei Jahre meines Lebens dafür gegeben habe, diese Partnerschaft zu verhandeln", sagte Roest, der auch aus seinem Ärger über die vergangenen Monate, in denen er immer wieder die Vereinbarung öffentlich erklären musste, keinen Hehl machen wollte: "Ich hatte gehofft, dass wir eine langfristige Partnerschaft eingehen würden. Aber jetzt muss ich sagen: Genug ist genug."

So ärgerte den umtriebigen Viagogo-Manager zum einen, dass "sich unsere Ansprechpartner beim HSV von Beginn des Vertragsverhältnisses an nicht an die wesentlichen Punkte des Vertrages gehalten haben", zum anderen monierte Roest, dass die Verantwortlichen des HSV mehrmals öffentlich den Vertragspartner diskreditiert hätten. So hatte Carl Jarchow, der Vorstandsvorsitzende des HSV, unlängst eingeräumt, dass die Partnerschaft "keine Liebesheirat" sei. Und trotzdem wollte Jarchows Vorstandskollege Joachim Hilke, der seit zwei Jahren mit Viagogo in intensivem Kontakt steht, die erhobenen Vorwürfe so nicht stehen lassen: "Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen und möchten den Vertrag bis zum 31. Juli wie vereinbart erfüllen."

Nach Abendblatt-Informationen wird es dazu aber nicht kommen - ganz im Gegenteil. So erwägt Viagogo sogar, den HSV auf Schadenersatz zu verklagen. In der Erklärung heißt es: "Die Gründe für die Kündigung liegen einzig in der Nichteinhaltung des Vertrages." So habe es der HSV beispielsweise versäumt, auf der eigenen Homepage auf Viagogo hinzuweisen, auch vereinbarte Social-Media-Aktivitäten habe es nicht gegeben. Eine umfassende Liste mit mutmaßlichen weiteren Vertragsbrüchen wurde durch einen Viagogo-Anwalt am Dienstag an den HSV übermittelt. "Wir haben davon noch nichts gehört", sagte Hilke am Nachmittag und betonte ein weiteres Mal, dass er kein Interesse an einer eventuellen Schlammschlacht habe.

Klar scheint schon jetzt, dass sich wohl weder der HSV noch Viagogo als Gewinner dieser Auseinandersetzung fühlen dürfen. Und auch die Hamburger Fans, die von Anfang an mit Vehemenz gegen die umstrittene Partnerschaft protestiert hatten, müssen ihren Preis zahlen. So vereinbarten Supporters und der HSV-Vorstand, dass erstmals seit fünf Jahren im kommenden Jahr die Dauerkartenpreise deutlich angehoben werden, um den finanziellen Verlust durch den Ausstieg aus der Viagogo-Partnerschaft auszugleichen. "Der Vorschlag zu dieser neuen Preisstruktur kam aus dem Fanlager", sagte Oliver Scheel, Vorstand für die Belange der Mitglieder. So kostet die günstigste Dauerkarte im Stehplatzbereich der Nordtribüne statt 157 Euro zukünftig 178 Euro, eine Dauerkarte in der Preiskategorie 1 verteuert sich für Nicht-Mitglieder ab Sommer sogar von 727,70 Euro auf 788 Euro. Supporterschef Ralf Bednarek, der sein Amt im Januar zugunsten einer Kandidatur für den Aufsichtsrat zur Verfügung stellt, ist trotzdem zufrieden: "Ich bin überzeugt, dass wir jetzt gemeinsam eine Lösung gefunden haben, die allen zu vermitteln ist."

Ganz so einfach dürfte der HSV den ungeliebten Vertragspartner - ob mit oder ohne Vertrag - dann aber doch nicht loswerden. So wies Viagogo im letzten Satz der offiziellen Presseerklärung darauf hin, "dass es in Zukunft weiterhin für jeden HSV-Fan möglich sein wird, Tickets für HSV-Spiele auf Viagogo zu kaufen und zu verkaufen". Der entscheidende Unterschied: "Einzig der Verein wird davon nicht länger profitieren."