Beim 0:0 in Freiburg glänzt Rafael van der Vaart als Kämpfer - und geht vor dem Länderspiel eine Wette mit Torhüter René Adler ein.

Freiburg. Wer zu den Millionen Zuschauern des neuen James-Bond-Films "Skyfall" gehört und am Sonnabend gegen 16 Uhr im Freiburger Stadion saß, musste sich wieder wie im Kino vorkommen - der Himmel schien herabzustürzen, so heftig schütteten die pechschwarzen Wolken ihr Wasser über der Arena aus. Nun ist es ja grundsätzlich so, dass Drehbücher von Fußballspielen denen von Agententhrillern auch gar nicht so unähnlich sind, schließlich versuchen jedes Wochenende die Guten - das jeweilige Team eines Fans - den Feind zu besiegen. Beim 0:0 des HSV in Freiburg zeigte sich aber gerade während des Wolkenbruchs der feine Unterschied der beiden Genres: Beim Fußball kann der Bösewicht durchaus in den eigenen Reihen zu finden sein.

Nach seinem zweiten gelbwürdigen Foul und dem logischen Platzverweis (siehe auch Bericht unten) war Paul Scharner nach 35 Minuten als derjenige enttarnt, dem beim HSV die Rolle des Schurken zukam, das fest eingeplante Happy End umzuschreiben. Bis zum frühen Arbeitsende des Österreichers hatten die aktiven Hamburger die Begegnung klar dominiert. Für Heiko Westermann war die erste Halbzeit sogar "die beste der laufenden Saison". Einzig die miese Effektivität in der Chancenauswertung (Heung Min Son, Maximilian Beister), bei den bisherigen Auswärtspartien ein Plus, hatte die ängstlich agierenden Freiburger im Spiel gelassen. Doch die Führung schien nur eine Frage der Zeit zu sein - bis zum von Scharner produzierten Filmriss.

Es war klar, dass der HSV in Unterzahl eine andere Vorstellung liefern musste. Jetzt ging es vor allem darum, defensiv sicher zu stehen und die Null zu halten. Unterhaltsame Action fand sich dennoch weiter im Programm. Zum Beispiel, weil Goldfinger René Adler beim Schuss von Max Kruse (82.) seine Eignung für die Heldenrolle unter Beweis stellte. "Er zeigt Weltklasse", lobte Trainer Thorsten Fink seinen Torwart überschwänglich, "er wird mit Recht zu den beiden besten Torhütern Deutschlands gezählt."

Beinahe jedoch hätte auch die Geschichte Adlers einen völlig neuen Verlauf genommen weil dieser vor einem Freistoß aus seinem Tor gerannt kam und den früheren St.-Pauli-Spieler Max Kruse unsanft mit dem Ellenbogen zur Seite schob. Andere Schiedsrichter hätten diese Aktion auch als Tätlichkeit auslegen können, Günter Perl beließ es bei Gelb. "Ich wollte ihn eigentlich nur wegschieben und ein bisschen schlichten", sagte Adler später.

Fast noch auffälliger als die neuen (fußballerischen) Ruhmestaten Adlers war jedoch der Auftritt seines Mitspielers. Sein Name? Van der Vaart. Rafael van der Vaart. "Ich habe wohl noch nie so viel gegrätscht wie in diesem Spiel", musste der Niederländer selbst nach seiner erfolgreich beendeten Mission schmunzeln. Auf dem nach den starken Regenfällen glitschigen Geläuf lebte der 29-Jährige, der sonst eher als Verzauberer des Balls glänzt, das vor, was an diesem Nachmittag gefragt war: Kampf und Laufbereitschaft, gepaart mit einem Schuss Aggressivität.

Fink hatte nach dem Platzverweis Scharners umbauen müssen und van der Vaart ins defensive Mittelfeld beordert, wo er - tatkräftig unterstützt von den spielfreudigen Assistenten Tolgay Arslan und Milan Badelj - die Organisation übernahm. "Rafael hat das Spiel geleitet, ohne ihn hätten wir verloren", bedankte sich Fink bei seinem Topspieler und fügte hinzu: "Ich bin sehr zufrieden mit unserer Defensivleistung. In der vergangenen Saison hätte uns solch ein Negativerlebnis noch umgehauen."

So endete das Spiel mit einem für 007-Verhältnisse unmöglichen Ergebnis: einem Unentschieden, dafür mit einem moralischen Sieger HSV, der mit 14 Punkten aber weiter im Niemandsland der Bundesliga-Tabelle verharrt. Will das Team die von Fink angestrebten sieben Punkte aus drei Partien holen, müssen nun Sonnabend gegen Mainz und danach in Düsseldorf Siege her.

Doch zuvor hat die Bundesliga Sendepause. Der Zufall will es, dass ausgerechnet van der Vaart und womöglich auch Adler schon in zwei Tagen die Zuschauer wieder in den Bann ziehen, wenn Deutschland in Amsterdam auf die Niederlande trifft (20.30 Uhr, ARD live). Gilt der Einsatz des 102-fachen niederländischen Nationalspielers als sehr wahrscheinlich - ob von Beginn an oder als Einwechselspieler -, darf auch Adler auf ein Comeback auf dem Rasen nach zweijähriger Pause hoffen. Sogar Bayern-Trainer Jupp Heynckes hat sich dafür ausgesprochen, den HSV-Torwart zumindest für einige Minuten zu bringen, natürlich mit dem Hintergedanken, Manuel Neuer angesichts der vielen Spieltermine zu schonen.

"Das wäre schön, aber ich bin schon froh, dass ich überhaupt mal wieder die Gesichter beim DFB sehen kann", äußerte sich Adler abwartend. Schließlich handele es sich hier um ein Prestigeduell, wo es keinen Spielraum für Experimente gebe. "Sollte ich jedoch spielen dürfen, mache ich wie beim HSV meinen Job."

Für van der Vaart war die bevorstehende Rückkehr Adlers in die deutsche Nationalmannschaft ein willkommener Anlass zum Frotzeln. "Wenn René spielt, mache ich gegen ihn auf jeden Fall ein Tor und trainiere am Donnerstag in einem orangefarbenen Trikot", kündigte er an, was wiederum den Herausgeforderten animierte: "Wir können ja eine Wette abschließen. Wenn Rafael nicht trifft, muss er im Deutschland-Trikot trainieren." Es wäre ein amüsantes Ende nach dem Klassiker gegen das Oranje-Team und die endgültige Beantwortung der Frage, wer beim HSV in diesen Tagen tatsächlich für die Rolle des alles rettenden Superhelden James Bond taugt.