Vor vier Wochen hat Dennis Aogo die Notbremse gezogen und sich selbst aus dem Training herausgenommen. Jetzt ist der Profi wieder da.

Hamburg. Als Dennis Aogo gestern Morgen aufwachte, ging es ihm gut. Richtig gut. Und obwohl das zunächst nicht weiter außergewöhnlich klingen mag, ist es das für den HSV-Profi sehr wohl. Schon ganz allein deswegen, weil es Aogo zuletzt eben nicht gut ging. "Ich habe mich in den vergangenen sechs bis sieben Wochen immer ganz schlapp gefühlt. Ich konnte morgens schlecht aufstehen, hatte dann eine Zeit lang das Gefühl, dass ich mich irgendwie durchschleppen musste", sagt der 25-Jährige, der gestern Mittag erstmals öffentlich über seine Leidenszeit reden wollte. Es war keine einfache Zeit, sagt Aogo, für den aber nur eine Sache wirklich wichtig ist: "Heute kann ich sagen, dass ich mich endlich wieder richtig gut fühle. Und das ist ein tolles Gefühl."

Es war kurz vor 12 Uhr mittags, als Dennis Aogo gestern in Trainingsklamotten in der BoConcept-Lounge erschien und sich in einen der weißen Ledersessel fallen ließ. Am frühen Morgen hatte er bereits einen längeren Lauf mit Reha-Trainer Markus Günther absolviert, am Nachmittag wollte er erstmals seit vier Wochen wieder mit der Mannschaft trainieren. "Ich habe in den vergangenen Wochen als Sportler und auch als Mensch viel gelernt. Aber jetzt freue ich mich einfach darauf, wieder ganz normal bei der Mannschaft zu sein", sagte der Linksverteidiger, der bereits am Montag einen Laktattest bestanden hatte: "Alle entscheidenden Werte sind gut. Besser sogar, als wir zunächst dachten, deswegen kann ich auch früher wieder mit den Jungs trainieren."

Vor einem Monat war das noch anders. Seit Wochen hatte sich Aogo schlapp gefühlt, wusste aber nicht, woran das lag. Und als es nicht besser werden wollte, begann der Nationalspieler zunehmend, sich Gedanken zu machen. "Wenn der Körper nicht mehr richtig funktioniert, dann hat das selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Seele", sagt Aogo. "Körper und Seele gehören zusammen." Nach der 0:2-Niederlage gegen Werder Bremen, als er erneut weit unter seinen Möglichkeiten blieb, zog er schließlich die Notbremse. "So ging es einfach nicht mehr weiter", sagt der gebürtige Karlsruher, der ein Vier-Augen-Gespräch mit Trainer Thorsten Fink suchte. "Ich habe ihm gesagt, dass ich mich komplett durchchecken lassen will, weil irgendetwas mit mir nicht in Ordnung war."

Nach einer ganzen Reihe medizinischer Tests wurde Aogos subjektives Gefühl ganz objektiv bestätigt. Seine Blutwerte waren extrem schlecht, als Grund wurde ein verschlepptes Virus ausgemacht. Die medizinische Abteilung des HSV reagierte umgehend, stellte Aogo vom Training frei. Zunächst mal sollte er sich zehn Tage lang ausruhen, keinen Sport machen und keine Anstrengung auf sich nehmen. Der Fußballer durfte vor allem eines nicht machen: Fußball spielen. "Das war keine einfache Phase für mich", sagt Aogo, "aber mir hat geholfen, dass sich alle bei mir erkundigt, nach mir gefragt und gesagt haben, dass sie mich vermissen. Das war wichtig für mich."

Trotzdem beschlossen Aogo und der Verein, dass es ihm gut tun würde, mal eine Auszeit zu nehmen. Der Profisportler reiste nach Innsbruck, wo er sich drei Wochen lang intensiv behandeln ließ. "Für mich war das eine Entscheidung für meine Gesundheit", sagt Aogo, der sich in Österreich unter medizinischer Aufsicht auch langsam wieder belasten durfte. Der Wahl-Hamburger fuhr Fahrrad, ging wandern und lernte abseits des Zirkus Bundesliga vor allem auch, in sich selbst hineinzuhören: "Ich musste ein bisschen runterkommen." Auf das Mobiltelefon verzichtete er bewusst, stattdessen besann sich der gläubige Christ auf das Wesentliche: "Gott begleitet mich, das wird auch immer so sein." Anzeichen von einer Depression oder von einem Burn-out, das ist Aogo sehr wichtig, habe es aber zu keinem Zeitpunkt gegeben. "Die Ursache war ganz klar mein Körper", betont er, "aber wenn der Körper nicht mehr funktioniert, dann macht man sich natürlich irgendwann auch Gedanken. Mehr aber auch nicht."

Zu viele Gedanken sollte sich Aogo ohnehin nicht mehr machen. "Schön, dass Dennis wieder da ist, er ist und bleibt einer unserer Führungsspieler", sagte Trainer Fink, der seinen Rückkehrer langsam wieder an die Mannschaft heranführen will. "Ich bin dem Trainer sehr dankbar, er hat immer wieder betont, dass ich für dieses Team wichtig bin", sagt Aogo, der sich zum Ziel gesetzt hat, beim nächsten Heimspiel gegen Stuttgart zumindest wieder im Kader zu stehen. Dass ihm das trotz der Konkurrenz durch den erstarkten Marcell Jansen auf der linken Abwehrseite gelingen wird, daran hat Kapitän Heiko Westermann, einer von Aogos besten Freunden innerhalb der Mannschaft, keine Zweifel: "Wenn Dennis fit ist, ist er ein enorm wichtiger Faktor für uns."

So oder so hat sich Aogo vorgenommen, in Zukunft gelassener zu werden: "Es gibt Sachen, die kann man einfach nicht beeinflussen." Er sei zwar überzeugt davon, schon bald wieder seinen Stammplatz zurückzuerobern, aber gleichzeitig wolle er geduldig sein. Solange er sich wieder gut fühlt, wenn er morgens aufsteht, solange ist auch alles gut. Ab und an gibt eben auch Dinge im Leben eines Fußballprofis, die wichtiger sind als der nächste 1:0-Sieg. So einfach ist das manchmal.