HSV-Trainer Armin Veh nach dem 0:6 in München beurlaubt. Oenning und Cardoso übernehmen bis Saisonende

Hamburg. Als der Lufthansa-Kapitän den Airbus 321 am Sonnabend um 22.30 Uhr sanft in Fuhlsbüttel gelandet hatte, hieß er die Passagiere in Hamburg herzlich willkommen und schloss mit den Worten: "Ich hoffe, das war der Auftakt für ein Relax-Wochenende."

Was einen der gestresst und müde dreinblickenden Insassen des Fliegers betraf, hatte der Mann im Grunde recht. Am Sonntagvormittag sorgte der Vorstand des HSV dafür, dass Armin Veh in einen längeren Urlaub verschwinden konnte. Bereits ab 8.30 Uhr saß der komplette Vorstand mit Katja Kraus, Bastian Reinhardt, Oliver Scheel und auch Bernd Hoffmann zusammen. Der Vorsitzende war in der Nacht die gemäß seinem Navigationssystem 898 Kilometer von Lech am Arlberg (Österreich) nach Hamburg gefahren, um den Abschied des 50-Jährigen zu vollziehen. In einem knapp 15-minütigen Gespräch wurde dem gefasst wirkenden Veh der Entschluss des Vorstands mitgeteilt.

"Aufgrund der Bekanntgabe, den HSV zum Saisonende zu verlassen, und unter dem Eindruck der letzten beiden Spiele gegen Mainz und den FC Bayern haben wir als Vorstand den Entschluss gefasst, Armin Veh und seinen Co-Trainer Reiner Geyer zu beurlauben", verkündete Reinhardt. Für den Rest der Saison wird, wie schon vermutet, Vehs Co-Trainer Michael Oenning die Leitung übernehmen. Der 45-Jährige schaffte als Cheftrainer in Nürnberg 2009 den Aufstieg, wurde dann aber im Dezember entlassen. Als Assistent wird Oenning Rodolfo Cardoso zur Seite gestellt, der bisherige Coach der Regionalliga-Mannschaft. Ob Oenning allerdings in der Lage ist, diesem lethargischen Haufen neues Leben einzuhauchen, muss abgewartet werden, schließlich war er es, der auch unter Veh das Training leitete. Was die neue Saison betrifft, so sei noch keine Entscheidung gefallen, sagte Reinhardt. "Oenning hat jetzt die Chance, sich zu präsentieren."

Nachdem Veh vor dem München-Spiel ein weiteres Mal seinen Gedanken freien Lauf gelassen hatte und dabei indirekt erklärte, er hätte sich selbst schon längst entlassen, erwog der Vorstand, bereits vor dem Bayern-Spiel aktiv zu werden. Während Reinhardt und Scheel für einen sofortigen Rauswurf waren, wollten Hoffmann und Kraus jedoch noch die Partie beim deutschen Rekordmeister abwarten. Doch was das Team dort dann ablieferte, war auch für Hoffmann und Kraus zu viel.

Nach einem ordentlichen Beginn in der ersten Hälfte brach das HSV-Team nach dem ersten Gegentreffer durch Arjen Robben völlig auseinander. "Man darf ein Spiel nicht komplett herschenken", monierte Reinhardt. "Wir haben uns zu viele Fehler geleistet, sind in uns zusammengefallen und haben alle Schleusen geöffnet." Nachdem sich der Verein in den vergangenen Monaten in Machtkämpfen selbst zerfleischt hatte, setzte die Mannschaft fast folgerichtig in München den Tiefpunkt. Wer es noch nicht wusste, hat jetzt Klarheit: Dieses Team hat in dieser Zusammensetzung keine Zukunft. Allerdings muss auch konstatiert werden, dass der Trainer, der vergangene Woche förmlich um seinen Abgang gebettelt hatte, nicht unschuldig am Desaster war. Als bei den Bayern Robben seine Position auf dem Flügel in der ersten Hälfte auflöste und in der Mitte wirbelte, fiel dem Trainer kein Mittel ein. Der oft melancholisch wirkende Fußballlehrer, der die Mechanismen des Geschäfts angewidert mit Abstand zu beobachten schien, hat mit den vielen Vereinsquerelen ein perfektes Alibi für seinen Abgang.

Mit "Leidenschaft, Begeisterung und Disziplin" solle der HSV nun ins letzte Saisonviertel gehen, forderte Reinhardt tapfer, der allerdings selbst den verbalen Tiefpunkt setzte, indem er von einer "angeblichen Krise" sprach. Es ist schon eine einmalige Situation, die sich in Hamburg derzeit abspielt. Ein Vorstand auf Abruf, bestehend aus Hoffmann, dessen Vertrag ausläuft, und Reinhardt, der im Juni ins zweite Glied zurücktreten muss, entlässt einen Trainer und installiert eine Interimslösung. Parallel dazu sucht ein Sportchef (Arnesen), der noch gar nicht da ist, einen neuen Übungsleiter und plant den Kader für die kommende Saison, während der Aufsichtsrat weiter darüber berät, ob Hoffmann doch vorzeitig gehen muss und ein Interims-Vorsitzender eingesetzt wird. Als Krönung attackiert dann mit Frank Rost einer der letzten Führungsspieler auch noch Hoffmann & Co. in einer Schärfe, wie sie wohl einzigartig ist (siehe Berichte S. 25).

Der Imageschaden des HSV ist gewaltig. "Der HSV stellt sich erbärmlich und unwürdig dar", schrieb Günter Netzer in seiner BamS-Kolumne. Aber überraschend komme das nicht, schließlich sei die Fehlleistung der Mannschaft in München ein Spiegelbild dessen gewesen, was die Vereinsführung vorlebe, so Netzer.

Nein, Reinhardt hatte recht. Es ist keine Krise, in der sich der HSV befindet. Es ist ein Drama in, wenn man so will, bisher acht Akten, schließlich ist Veh der achte Trainer, der seit Amtsbeginn von Bernd Hoffmann vor acht Jahren geht oder gehen muss. "Der Ärger ist groß", gab Hoffmann zu, aber es hilft nicht zurückzuschauen. Wir müssen diesen Tag als Schnitt begreifen. Was wir entschieden haben und in den kommenden Tagen entscheiden, geschieht mit Blick auf die neue Saison."

Der Vorstand habe sich als voll handlungsfähig erwiesen. Ob er seine Zukunft überdacht habe und womöglich zurücktreten werde, wollte Hoffmann am Sonntag jedoch nicht beantworten: "Heute ist Trainertag."

Was jetzt folgen wird, ist klar: Spielertage - Trennungen von einem großen Teil der Kicker. Es wird auch höchste Zeit. Viel zu viele Profis tragen das Virus des Misserfolgs in sich, das rund um die HSV-Arena grassiert.